Rz. 208

Das Insolvenzereignis des Abs. 1 S. 2 Nr. 3 entfaltet nur dann seine Sperrwirkung gegenüber den in Nr. 1 und Nr. 2 enthaltenen Insolvenzereignissen, wenn neben der vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt.

 

Rz. 209

Ist bis zum Zeitpunkt der vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit ein Insolvenzantrag gestellt worden, ist das Insolvenzereignis nach Nr. 3 ausgeschlossen. Vielmehr kommt dann das spätere Insolvenzereignis "Abweisung des Insolvenzantrages mangels Masse" nach Nr. 2 als maßgebendes Insolvenzereignis in Betracht.[149]

 

Rz. 210

 

Hinweis

Das gilt auch, wenn der Insolvenzantrag noch am Tage der Betriebseinstellung gestellt wird. Sind Insolvenzanträge zurückgenommen worden oder aus sonstigen Gründen unzulässig, kommt eine Sperrwirkung nicht in Betracht.

 

Rz. 211

Nach der ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmung darf im Zeitpunkt der in Betriebseinstellung ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommen. Da der Gesetzgeber von "offensichtlich" spricht, muss nicht feststehen, dass ein Insolvenzverfahren mangels Masse nicht in Betracht kommt. Vielmehr genügt es, wenn alle äußeren Indizien für die Masseunzulänglichkeit sprechen.[150] Der Anschein der Masseunzulänglichkeit muss sich für einen unvoreingenommenen Betrachter aus den gegebenen äußeren Tatsachen ergeben.

 

Rz. 212

 

Beispiel

Dies ist z.B. anzunehmen, wenn unter Hinweis auf die Zahlungsunfähigkeit Arbeitsentgelt nicht mehr gezahlt wird, die Betriebstätigkeit eingestellt wurde und die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht beantragt worden ist.[151]

 

Rz. 213

Zu den Indizien, aus denen geschlossen werden kann, dass ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt, gehören u.a.

die Existenz mehrerer arbeitsgerichtlicher Versäumnisurteile auf Lohnzahlung,[152]
erfolglos gebliebene Zwangsvollstreckungen,
eidesstattliche Versicherungen,
die Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen über sechs Monate.[153]
 

Rz. 214

Die Feststellungslast für die offensichtliche Masselosigkeit im Zeitpunkt der Betriebseinstellung liegt beim Antragsteller des Insolvenzgeldes.[154]

 

Rz. 215

Das Insolvenzereignis Nr. 3 ist ein Auffangtatbestand für alle Fälle, in denen der Arbeitnehmer wegen der behaupteten und nicht leicht zu widerlegenden Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers kein Arbeitsentgelt erhalten hat,[155] dem Arbeitnehmer aber nicht zugemutet werden soll, die Kosten des Insolvenzverfahrens zu tragen, nur um sich die offensichtliche Masselosigkeit bestätigen zu lassen.

 

Rz. 216

Das Insolvenzereignis Nr. 3 ist nur gegeben, wenn eine vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit durch den konkreten Arbeitgeber vorgenommen worden ist. Der Gesetzgeber spricht von Betriebstätigkeit und nicht Betriebsstilllegung. Aus diesem Grund muss bei einem Inhaberwechsel oder einer Verpachtung auf die Beendigung der Tätigkeit des bisherigen Arbeitgebers abgestellt werden.[156]

 

Rz. 217

Bei einer Betriebsstilllegung müssen alle vom Arbeitgeber veranlassten und den Betriebszweck dienenden Tätigkeiten eingestellt worden sein. Dies betrifft allerdings nicht reine Erhaltungs-, Abwicklungs- und Liquidationsarbeiten.[157] Die Frage, ob die Betriebstätigkeit eingestellt worden ist, ist in der Praxis häufig nicht leicht zu beantworten, weil die Einstellung der Betriebstätigkeit sich jeweils nach dem Gegenstand des Betriebes richtet.[158] Hier ist jeweils auf das Gesamtbild des Einzelfalles abzustellen, d.h. es ist ­zunächst der jeweilige Betriebszweck zu ermitteln und dann seine Weiterverfolgung zu prüfen.

 

Rz. 218

Besteht der Betrieb aus Produktion und Verkauf, liegt eine vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit erst vor, wenn alle Bereiche eingestellt worden sind.[159] Dies gilt auch für den Fall, dass ein Arbeitgeber mehrere Betriebe führt.

 

Rz. 219

 

Hinweis

Bei einer bloßen Teilstilllegung, aber Weiterführung anderer Betriebe kann nicht von der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers ausgegangen werden.[160]

 

Rz. 220

Bei dem Insolvenzereignis nach Nr. 3 ist nicht vom ersten Tag, an dem keine betriebliche Tätigkeit mehr stattfindet, auszugehen, sondern von dem Tag, mit dessen Ende die Betriebstätigkeit vollständig eingestellt worden ist.[161]

 

Rz. 221

Auch mehrmonatige Betriebspausen sind nicht unbedingt als Betriebseinstellungen zu bewerten. Betriebspausen dürfen sich aber nicht über eine wesentliche Zeit erstrecken. Die Grenze wird bei etwa drei bis vier Monaten anzunehmen sein.

 

Rz. 222

Die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland kann auch vorliegen, wenn der Arbeitgeber ein ausländisches Unternehmen ist, eine Zweigniederlassung in Deutschland aber ihre Tätigkeit beendet. Von einer Niederlassung ist das BSG ausge­gangen, wenn von dieser Stelle aus unmittelbar Geschäfte aus eigener Entscheidung geschlossen und nicht nur durch Weiterleitung von Vertragsof...

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