Rz. 134

Die Austauschbarkeit richtet sich in erster Linie nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen, d.h. nach der ausgeübten Tätigkeit. Dies gilt nicht nur bei Identität der Arbeitsplätze, sondern auch dann, wenn der Arbeitnehmer aufgrund seiner Tätigkeit und Ausbildung eine andersartige, aber gleichwertige Tätigkeit ausführen kann.[320] Der Arbeitnehmer muss also aufgrund seiner bisherigen Aufgaben im Betrieb und/oder angesichts seiner beruflichen Qualifikation dazu in der Lage sein, die andersartige, aber gleichwertige Arbeit eines anderen Arbeitnehmers zu verrichten. Bei einer partiellen Identität der Aufgabenbereiche kommt es darauf an, ob der Arbeitnehmer, dessen Arbeitsplatz wegfällt, aufgrund seiner tatsächlichen Kenntnisse und Fähigkeiten die Funktion anderer Arbeitnehmer ausüben kann.[321] Die Vergleichbarkeit wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass einzelne Arbeitnehmer bestimmte Tätigkeiten besonders beherrschen.[322] Objektive Merkmale zur Ermittlung der Vergleichbarkeit sind z.B. Berufsausbildung, Zugehörigkeit zur gleichen Berufsgruppe (z.B. Personalsachbearbeiter, Facharbeiter, Techniker, Senior Projektleiter, Sekretariatsmitarbeiter, Außendienstmitarbeiter, Fahrer) und zur gleichen Betriebshierarchieebene.[323]

 

Rz. 135

In der Praxis der ArbG wird eine Vergleichbarkeit regelmäßig innerhalb einer tariflichen Vergütungs- oder Lohngruppe angenommen, obwohl nach der Rspr. des BAG[324] die tarifliche Eingruppierung nur in engen Grenzen zur Feststellung der Austauschbarkeit herangezogen werden kann. Bei ausgesprochenen Hilfstätigkeiten soll der identischen Eingruppierung ein ausreichender Indizwert zukommen. Umgekehrt steht bei identischem Aufgabenbereich eine unterschiedliche Vergütung der Vergleichbarkeit nicht entgegen.[325] Eine Vergleichbarkeit über mehrere Entgeltgruppen hinweg besteht i.d.R. nicht.[326] Bei einer betriebsbedingten Kündigung im öffentlichen Dienst beschränkt sich die Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG grundsätzlich auf die Arbeitnehmer derselben Vergütungsgruppe. Nur diese sind miteinander vergleichbar.[327]

 

Rz. 136

Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen braucht der Arbeitgeber nicht durchzuführen. Eine Austauschbarkeit ist nur anzunehmen, wenn aufgrund der fachlichen Qualifikation des unmittelbar betroffenen Arbeitnehmers aufgrund der Art des Arbeitsplatzes eine alsbaldige personelle Einsetzbarkeit nach einer relativ kurzen Einarbeitungszeit gegeben ist.[328] Der Arbeitnehmer muss nach einer Einarbeitungszeit wirtschaftlich sinnvoll einsetzbar sein.[329] Dabei hat der Arbeitgeber einen Beurteilungsspielraum.[330] Das BAG sieht zu Recht bereits eine dreimonatige Einarbeitungszeit als zu lang an.[331] Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer nicht umschulen, damit dieser aufgrund der Schulung in einer sozial besser gestellten Position eingestellt werden kann.[332]

[321] BAG v. 17.9.1998, AP Nr. 36 zu § 1 KSchG Soziale Auswahl; ausführlich Ascheid/Preis/Schmidt/Kiel, § 1 KSchG Rn 681 ff.; BAG v. 10.6.2010, NZA 2010, 1352.
[323] Vgl. Ascheid/Preis/Schmidt/Kiel, § 1 KSchG Rn 682.
[324] BAG v. 5.12.2002, NZA 2003, 849, 851; BAG v. 2.2.2006, EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 144.
[325] KR/Griebeling, § 1 KSchG Rn 618.
[326] BAG v. 5.12.2003, NZA 2003, 849.
[329] KR/Griebeling, § 1 KSchG Rn 620.
[330] Ascheid/Preis/Schmidt/Kiel, § 1 KSchG Rn 683.
[331] BAG v. 5.5.1994, NZA 1994, 1023; BAG v. 24.5.2005, NZA 2005, 1302, 1306: "(relativ) kurzer Zeitraum".
[332] KR/Griebeling, § 1 KSchG Rn 620.

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