Rz. 828

Vergleichbar sind lediglich solche Arbeitnehmer, die untereinander austauschbar sind (BAG, Urteil v. 4.12.1959, 1 AZR 382/57[1]). Die Vergleichbarkeit der in die soziale Auswahl einzubeziehenden Arbeitnehmer richtet sich in erster Linie nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen und somit nach der ausgeübten Tätigkeit. Es ist zu prüfen, ob der Arbeitnehmer, dessen Arbeitsplatz weggefallen ist, die Funktion eines anderen Arbeitnehmers wahrnehmen kann. Das ist nicht nur bei Identität des Arbeitsplatzes der Fall, sondern auch dann, wenn der Arbeitnehmer aufgrund seiner Fähigkeiten und seiner Ausbildung eine andersartige, aber gleichwertige Tätigkeit ausführen kann.[2] Der Vergleich vollzieht sich insoweit ausschließlich auf derselben Ebene der Betriebshierarchie (BAG, Urteil v. 7.2.1985, 2 AZR 91/84[3]).

 

Rz. 829

Diesen Grundsatz der horizontalen Vergleichbarkeit hat das BAG in mehreren Entscheidungen bestätigt und konkretisiert. Der Arbeitgeber ist im Rahmen der Sozialauswahl gem. § 1 Abs. 3 KSchG nicht verpflichtet, einem sozial schwächeren Arbeitnehmer eine Weiterbeschäftigung zu verschlechterten Bedingungen anzubieten, um für ihn durch Kündigung eines sozial bessergestellten Arbeitnehmers einen Arbeitsplatz freizumachen (BAG, Urteil v. 29.3.1990, 2 AZR 369/89[4]). Der Arbeitgeber ist bei Wegfall des bisherigen Arbeitsgebiets eines Arbeitnehmers auch nicht gehalten, ihm zur Vermeidung einer Beendigungskündigung eine freie "Beförderungsstelle" anzubieten.

 

Rz. 830

An einer Vergleichbarkeit fehlt es zwischen Arbeitnehmern, die der Arbeitgeber nicht einseitig auf den anderen Arbeitsplatz umsetzen oder versetzen kann. Die Vergleichbarkeit kann grds. auch nicht dadurch herbeigeführt werden, dass der Arbeitsvertrag eines von einem betrieblichen Ereignis betroffenen Arbeitnehmers erst anlässlich dieses Ereignisses einvernehmlich oder im Wege der Änderungskündigung entsprechend abgeändert wird (BAG, Urteil v. 18.10.2006, 2 AZR 676/05[5]).

 

Rz. 831

Die Vergleichbarkeit der Arbeitnehmer setzt im Einzelnen voraus, dass die unmittelbar betroffenen Arbeitnehmer auf einem vorhandenen Arbeitsplatz tatsächlich und rechtlich einsetzbar sind. Daher können in die Sozialauswahl nur solche Arbeitnehmer einbezogen werden, deren Aufgabenbereich miteinander vergleichbar ist (tatsächliche Einsetzbarkeit); ferner muss der Arbeitgeber in der Lage sein, den Arbeitnehmer, dessen Arbeitsplatz wegfällt, nach den arbeitsvertraglichen Vorgaben kraft Direktionsrecht auf den in Betracht kommenden anderen Arbeitsplatz umzusetzen bzw. zu versetzen (rechtliche Einsetzbarkeit). Der Aufgabenbereich eines Arbeitnehmers ist gekennzeichnet durch die ausgeübte Tätigkeit und die für den Arbeitsplatz erforderliche Qualifikation. Bei einer nur partiellen Identität der Aufgabenbereiche bedarf es der Prüfung, ob die unmittelbar vom Wegfall der Arbeitsplätze betroffenen Arbeitnehmer mit solchen Arbeitnehmern, die im Betrieb eine vergleichbare Aufgabenstellung innehaben, ausgetauscht werden können (sog. subjektive Ebene). Eine wechselseitige Austauschbarkeit ist aber nicht erforderlich, soweit der Aufgabenbereich des freigesetzten Arbeitnehmers vollständig entfallen ist. Es kommt vielmehr darauf an, ob derjenige Arbeitnehmer, dessen Arbeitsplatz aus betriebsbedingten Gründen ganz oder teilweise zum Fortfall gekommen ist, aufgrund seiner beruflichen Qualifikation sowie aufgrund seiner gleichwertigen Tätigkeiten im Betrieb in der Lage ist, die andersartige, aber gleichwertige Arbeit von anderen Arbeitnehmern – ggf. nach einer kurzen Einarbeitungszeit – auszuüben. Eine Austauschbarkeit ist aber nur dann anzunehmen, wenn aufgrund der fachlichen Qualifikation des unmittelbar betroffenen Arbeitnehmers oder aufgrund der Art des Arbeitsplatzes eine alsbaldige personelle Einsetzbarkeit nach einer (relativ) kurzen Einarbeitungszeit gegeben ist. Hierbei kann einem aktuellen Stand von Kenntnissen und Fähigkeiten erhebliche Bedeutung zukommen.

 

Rz. 832

Ein arbeitsplatzbezogener "Routinevorsprung" hat bei der Frage der Vergleichbarkeit außer Betracht zu bleiben. Welcher Einarbeitungszeitraum dem Arbeitgeber zugemutet werden kann, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere von der Dauer der Betriebszugehörigkeit, der beruflichen Vorbildung und dem Lebensalter des Arbeitnehmers.[6] Eine Vergleichbarkeit von Arbeitnehmern ist ferner nur dann gegeben, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer kraft seines Direktionsrechts einseitig auf den anderen Arbeitsplatz versetzen kann (BAG, Urteil v. 24.5.2005, 8 AZR 398/04[7]).

 
Hinweis

Eine feste Grenze für die Maximaldauer der Einarbeitungszeit existiert nicht. Die in der juristischen Fachliteratur vorgeschlagenen Höchstgrenzen divergieren stark: Die Bandbreite bietet Vorschläge von nur einer Woche bis hin zu 6 Monaten. Das BAG hat sich bisher noch nicht festgelegt, und es ist auch unwahrscheinlich, dass es eine feste Grenze benennt. In der Praxis ist – je Anspruch der Tätigkeit – von der Zulässigkeit einer Einarbeitungszeit von 3...

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