Rz. 158

Auf Antrag des Arbeitgebers kann das Gericht ihn nach § 102 Abs. 5 S. 2 BetrVG durch einstweilige Verfügung im Urteilsverfahren (h.M., Fitting, BetrVG, § 102 Rn 117) von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung entbinden. Dieser Anspruch kann auch einredeweise in einem vom Arbeitnehmer anhängig gemachten einstweiligen Verfügungsverfahren geltend gemacht werden (Fitting, BetrVG, § 102 Rn 117; a.A. Galperin/Löwisch, BetrVG, § 102 Rn 113; ArbG Düsseldorf v. 27.9.1983, BB 1984, 675).

 

Rz. 159

Der Antrag des Arbeitgebers ist zunächst dann begründet, wenn die Klage des Arbeitnehmers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint (§ 102 Abs. 5 S. 2 Nr. 1 BetrVG). Hinsichtlich der Ausfüllung dieser Voraussetzungen kann auf die Merkmale des § 114 ZPO, der die Gewährung von PKH betrifft, verwiesen werden. Einer Kündigungsschutzklage mangelt es an der hinreichenden Erfolgsaussicht, wenn sie offensichtlich oder mit hinreichender Wahrscheinlichkeit keinen Erfolg haben wird (LAG Düsseldorf, 23.5.1975, EzA § 102 BetrVG 1972 Beschäftigungspflicht Nr. 4; KR/Etzel, Rn 224). Mutwillig ist eine Kündigungsschutzklage erhoben worden, wenn eine "verständige" Partei ihr Recht nicht in gleicher Weise verfolgen würde (Richardi/Thüsing, BetrVG, Rn 245).

 

Rz. 160

Nach § 102 Abs. 5 S. 2 Nr. 2 BetrVG ist der Antrag begründet, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers führen würde. Hierbei wird überwiegend verlangt, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen so schwerwiegend sind, dass die Existenz des Arbeitgebers gefährdet ist (Schaub, ArbRHB, § 128 II 12; Fitting, § 102 BetrVG Rn 119; KR/Etzel § 102 BetrVG Rn 226). Die Geltendmachung dringender betrieblicher Gründe allein reicht nicht aus.

 

Rz. 161

Der Antrag des Arbeitgebers kann außerdem gem. § 102 Abs. 5 S. 2 Nr. 3 BetrVG darauf gestützt werden, dass der Widerspruch des Betriebsrates offensichtlich unbegründet war. Wie bereits ausgeführt, verlangt das Gesetz für die Entstehung des Weiterbeschäftigungsanspruchs nicht einen schlüssigen oder begründeten Widerspruch, sondern nur einen ordnungsgemäßen Widerspruch. Der Arbeitgeber kann sich nur dann von der Weiterbeschäftigungspflicht befreien, wenn ein offensichtlich unbegründeter Widerspruch vorliegt. Dies Erfordernis lässt sich nicht dadurch unterlaufen, dass Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit des Widerspruchs angehoben werden. Die betriebsverfassungsrechtliche Weiterbeschäftigungspflicht ist durch das Erfordernis eines nur ordnungsgemäßen Widerspruchs ggü. der Befreiung von dieser Pflicht bei nur offensichtlich unbegründetem Widerspruch erkennbar privilegiert (LAG Brandenburg v. 15.12.1992, LAGE § 102 BetrVG 1972 Beschäftigungspflicht Nr. 13). Diese gewollte Privilegierung lässt sich der Gesetzessystematik folgend u.a. nur realisieren, wenn sichergestellt wird, dass die Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit eines Widerspruchs zumindest so deutlich hinter den Voraussetzungen für eine Befreiung von der Weiterbeschäftigungspflicht zurückbleiben, dass ein sinnvoller Anwendungsbereich für das Verfahren nach § 102 Abs. 5 S. 2 BetrVG offenbleibt. Das bedeutet u.a.: Auch der aus sich heraus offensichtlich unbegründete Widerspruch ist ordnungsgemäß. Der Weiterbeschäftigungsanspruch entsteht, der Arbeitgeber muss sich hiervon befreien lassen. Es gibt keine "stille" Befreiung von der Weiterbeschäftigungspflicht bei einem nur offensichtlich unbegründeten Widerspruch durch schlichten Hinweis auf seine angeblich fehlende Ordnungsmäßigkeit. Dies bedeutet nicht, dass der ohne jede Begründung eingelegte Widerspruch des Betriebsrates ordnungsgemäß ist. In diesem Fall fehlt die sachliche Berechtigung, den Weiterbeschäftigungsanspruch entstehen zu lassen. Es macht aber deutlich, dass die Ordnungsmäßigkeit eines Widerspruchs nicht von seiner "Begründungstiefe" abhängig gemacht werden kann. Der schlecht begründete Widerspruch erschwert nicht das Entstehen des Weiterbeschäftigungsanspruchs, er erleichtert die Befreiung von der betriebsverfassungsrechtlichen Weiterbeschäftigungspflicht (LAG Brandenburg v. 15.12.1992, LAGE § 102 BetrVG 1972 Beschäftigungspflicht Nr. 13).

Ein offensichtlich unbegründeter Widerspruch liegt bspw. vor, wenn sich die Grundlosigkeit des Widerspruches nach unbefangener Beurteilung geradezu aufdrängt (LAG München v. 5.10.1994, LAGE § 102 BetrVG 1972 Beschäftigungspflicht Nr. 19; LAG Hamburg v. 10.5.1993, LAGE § 102 BetrVG 1972 Beschäftigungspflicht Nr. 16). Bspw. ist ein Widerspruch offensichtlich unbegründet, wenn er sich nicht auf die in § 102 Abs. 3 BetrVG genannten Gründe bezieht oder die den Widerspruch rechtfertigenden Tatsachen nicht vorliegen, etwa weil es bspw. keine Auswahlrichtlinie im Betrieb gibt, deren Verletzung vom Betriebsrat gerügt wird.

In der Praxis stellt sich für den Arbeitgeber oftmals die Frage, ob der Betriebsrat der Kündigung tatsächlich ordnungsgemäß widersprochen hat. Hat der Betriebsrat nämlich schon nicht or...

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