Verfahrensgang

ArbG Cottbus (Beschluss vom 18.09.1992; Aktenzeichen 5 (2) GA 38/92)

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Cottbus vom 18.09.1992 – 5 (2) GA 38/92 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

 

Gründe

1. Die Antragsgegnerin war bei der Antragstellerin länger als 6 Monate beschäftigt. Diese hat das Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen zum 30.09.1992 gekündigt. Hiergegen hat die Antragsgegnerin Klage erhoben und außergerichtlich im August ihre Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluß des Kündigungsrechtsstreits verlangt, nachdem vor Ausspruch der Kündigung der Betriebsrat innerhalb einer Woche nach seiner Anhörung mit folgendem Schreiben widersprochen hat:

Gegen die Kündigung der Kolln. … wird Widerspruch eingelegt, weil sie bereits 15 Jahre im Unternehmen beschäftigt ist und sich zum Kündigungstermin im 46. Lebensjahr befindet.

Auf Grund ihres Lebensalters ist sie in ihrem Beruf auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr vermittelbar. Sie ist auf Beschäftigung angewiesen, weil sie für 2 im Haushalt lebende Kinder mit unterhaltsverpflichtet ist. Aus der Sicht des Betriebsrates ist die soziale Auswahl im Geschäftsbereich und im Gesamtunernehmen ungenügend berücksichtigt worden. Es werden speziell im Geschäftsbereich noch mehrere Arbeitnehmer mit geringerem Lebensalter und kürzerer Betriebszugehörigkeit, sozial besser gestellt, beschäftigt, die bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben.

Der Betriebsrat vertritt ferner die Meinung, daß Kurzarbeit nach § 53 Abs. 4 für Kolln. … voll genutzt werden kann.

Die Antragstellerin hat den Erlaß einer einstweiligen Verfügung beantragt, mit der sie festgestellt haben will, daß sie zur Weiterbeschäftigung der Antragsgegnerin nicht verpflichtet ist. Hilfsweise hat sie ausschließlich für den Fall der Unzulässigkeit des Hauptantrages beantragt, sie von der Pflicht zur Weiterbeschäftigung der Antragsgegnerin zu entbinden.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag zurückgewiesen, weil es den Widerspruch für ordnungsgemäß hält. Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde, welche sie damit begründet, der Widerspruch des Betriebsrats sei nicht genügend konkretisiert.

2. Die Beschwerde ist nach § 567 Abs. 1 ZPo zulässig aber unbegründet.

a) Der Erlaß einer einstweiligen Verfügung ist auch in der Form des Feststellungsantrags zulässig. Das Rechtsschutzinteresse ist gegeben. Ist der Widerspruch des Betriebsrates nicht ordnungsgemäß, entsteht kein Weiterbeschäftigungsanspruch nach § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG. Von einer nicht entstandenen Verpflichtung kann der Arbeitgeber nicht entbunden werden. Weisen nun die Gerichte für Arbeitssachen den Antrag auf Entbindung mit dem Hinweis auf die fehlende Beschäftigungspflicht ab (so LAG Berlin DB 74, 1629; LAG Niedersachsen DB 75, 1898; LAG Düsseldorf DB 76, 1065), hat der Arbeitgeber mit einem verlorenen Prozeß das erreicht, was er anstrebte: Er braucht den Mitarbeiter nicht weiter zu beschäftigen. Und dieser – der durch die Entscheidung formell nicht beschwert ist – könnte sich nicht einmal durch Einlegen eines Rechtsmittels dagegen wehren, wenn es der Arbeitgeber bei der erstinstanzlichen Entscheidung beläßt. Andererseits wird es nicht selten für den Arbeitsgeber angesichts der noch nicht abschließend geklärten Fragen zur Ordnungsmäßigkeit des Widerspruchs unmöglich sein, mit Sicherheit festzustellen, ob er es mit einem nicht ordnungsgemäßen oder einem offensichtlich unbegründeten Widerspruch zu tun hat. Es muß ihm in einem solchen Fall ermöglicht werden, sich durch gerichtliche Entscheidung auch ohne Prozeßkostenrisiko von der Weiterbeschäftigungspflicht zumindest untechnisch entbinden zu lassen. Und endlich kann man den Arbeitgeber nicht darauf verweisen, bei einem seiner Ansicht nach nicht ordnungsgemäßen Widerspruch schlicht die Weiterbeschäftigung zu verweigern und zu warten, ob der Arbeitnehmer seinerseits den … betriebsverfassungsrechtlichen … Weiterbeschäftigungsanspruch gerichtlich geltend macht. Es liegt nicht zuletzt im Interesse des Rechtsfriedens, wenn der Arbeitgeber auch in diesem Fall die Initiative ergreifen und seinerseits die Frage seiner Weiterbeschäftigungspflicht einer gerichtlichen Klärung zuführen darf.

Dabei hilft es jedoch nicht weiter, wenn man den nicht ordnungsgemäßen Widerspruch als offensichtlich unbegründeten behandelt (LAG Baden-Württemberg BB 75, 43; LAG Düsseldorf DB 78, 1282; LAG Hamm DB 79, 1232). Auch dieser „Kunstgriff” führt nicht daran vorbei, daß eine Weiterbeschäftigungspflicht nach § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG nicht entstanden ist, so daß der Arbeitgeber von ihr nicht entbunden werden kann. Entbindet nun das Arbeitsgericht den Arbeitgeber dennoch von der nicht bestehenden Weiterbeschäftigungspflicht, spricht der Tenor etwas aus, was in der Entscheidung selbst nicht begründet werden kann. In dieser Lage ist es sachgerecht, den Arbeitgeber auch in einem einstweiligen Verfügungsverfahren über einen Feststellungantrag von der Weiterbeschäftigun...

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