Entscheidungsstichwort (Thema)

Ordentliche Kündigung. Konzernbezug. Widerspruch des Betriebsrats. Weiterbeschäftigung. Beschäftigungspflicht. Entbindung von der Beschäftigungspflicht. einstweilige Verfügung. Befriedigungsverfügung. Beschwerdeverfahren. mündliche Verhandlung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Widerspruch des Betriebsrats gegen eine ordentliche Kündigung ist schon dann ausreichend begründet und insoweit ordnungsgemäß im Sinne von § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG, wenn die Widerspruchsbegründung es als möglich erscheinen läßt, daß einer der Widerspruchsgründe des § 102 Abs. 3 BetrVG geltend gemacht wird.

2. Diese Voraussetzung ist auch dann erfüllt, wenn der Betriebsrat in einem Konzernbetrieb unter Hinweis auf eine Stelle bei einem anderen Konzernunternehmen argumentiert, § 102 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG sei entsprechend anzuwenden.

3. Als Einrede auf das gerichtlich geltend gemachte Weiterbeschäftigungsverlangen des Arbeitnehmers können die Entbindungsgründe nach § 102 Abs. 5 Satz 2 BetrVG nicht geltend gemacht werden.

 

Normenkette

ArbGG § 102 Abs. 3 Nr. 3, Abs. 5 Sätze 1-2; ZPO §§ 940, 573; ArbGG § 62 Abs. 2 S. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Elmshorn (Beschluss vom 24.01.1996; Aktenzeichen 2e Ga 36/95)

 

Tenor

wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 24. Januar 1996 abgeändert.

Den gesetzlichen Vertretern der Antragsgegnerin wird aufgegeben, bei Meidung eines vom Gericht festzusetzenden Zwangsgeldes gegen die Antragsgegnerin bzw. von Zwangshaft gegen die gesetzlichen Vertreter den Antragsteller bis zum rechtskräftigen Abschluß des Kündigungsschutzverfahrens weiter zu beschäftigen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

A.

Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens Weiterbeschäftigung gemäß § 102 Abs. 5 BetrVG.

Er wurde von der Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin mit Wirkung vom 1.11.87 als Diplom-Chemiker im Werk B. eingestellt. § 7 seines Anstellungsvertrages (Bl. 4–7 d. A.) bestimmt unter anderem, daß der Arbeitgeber berechtigt ist, „den Mitarbeiter auf eine seiner jeweiligen dienstlichen Stellung entsprechende andere Dienststelle der Gesellschaft oder auf eine andere der Gesellschaft oder eine der mit der Gesellschaft verbundenen Unternehmen gehörende Betriebsstätte zu versetzen, wenn dies aus Gründen betrieblicher oder verwaltungsorganisatorischer Art erforderlich ist”.

Mit Wirkung ab 1.3.94 versetzte die Antragsgegnerin den Antragsteller von der Position des Betriebsleiters der Harnstoff- und Wasserbetriebe in den technischen Stab, weil sie mit seinen Leistungen nicht zufrieden war. Am 2.3.95 wurde dem Kläger mitgeteilt, daß man eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses anstrebe. Er werde nicht für geeignet angesehen für eine zukünftige Mitarbeit im Leitungsteam, in dem der heutige technische Stab aufgehe.

Am 21.4.95 wurde konzernweit eine Position „Head of Urea III Plant” in Q. bei der Q. F. Company, die zum selben Konzern wie die Antragsgegnerin gehört, ausgeschrieben. In der Ausschreibung hieß es:

„Salary and benefits

The position in on married Status and includes free fully furnished family accommodation, 42 days annual leave, car loan and allowance, free annual passage for employee and family, contribution to Mother Company's Pension Schme, free medical care for employee and family, insurance, free schooling etc.”

Der Antragsteller bewarb sich Ende April 1995 auf die Stelle, da er durch den Personalleiter D. der Antragsgegnerin ausdrücklich dazu aufgefordert worden war.

Mit Schreiben vom 23.5.95 teilte die Antragsgegnerin dem ihr bei ihr gebildeten Betriebsrat mit, daß sie beabsichtige, dem Antragsteller ordentlich zu kündigen. Mit Schreiben vom gleichen Tage widersprach der Betriebsrat der Kündigung. In dem Widerspruchsschreiben (Bl. 9 d. A.) heißt es:

„Wenn Sie schon für eine Weiterbeschäftigung in unserem Betrieb keine Möglichkeit sehen, so sollte Herr Dr. B. doch entsprechend § 102 Abs. 3 Ziff. 3 die Möglichkeit erhalten, in einem anderen Betrieb, ggf. auch im Ausland, des H. Konzerns beschäftigt, zu werden.

Dem Betriebsrat ist zudem bekannt, daß Herr Dr. B. sich kürzlich auf eine Stellenausschreibung in Q. beworben hat.”

Mit Schreiben vom 31.5.95 kündigte die Antragsgegnerin dem Antragsteller zum 31.12.95. Der Antragsteller reichte am 19.6.95 eine Klage nach dem Kündigungsschutzgesetz mit dem Antrag ein, festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die Kündigung vom 31.5.95 nicht aufgelöst worden ist. Durch Urteil vom 20.12.95 wies das Arbeitsgericht die Kündigungsschutzklage ab. Der Antragsteller mußte zu diesem Zeitpunkt davon ausgehen, daß die Stelle in Q. anderweitig besetzt worden war. Insofern war das Scheitern des Einsatzes in Q. am 20.12.95 unstreitig.

Der Antragsteller legte gegen das Urteil vom 20.12.95 Berufung ein. Der Rechtsstreit über die Kündigung ist noch nicht abgeschlossen.

Mit Schreiben an die Antragsgegnerin vom 21.12.95 (Bl. 10 d. A.) begehrte der Antragsteller Weiterbeschäftigung auf der Grundlage des § 102 Abs. 5 BetrVG.

Am 27.1...

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