Rz. 59

Das Vergleichswertverfahren ist das ideale Verfahren zur Schätzung des Verkehrswertes (Marktwertes) i.S.v. § 194 BauGB. Der begriffsimmanenten Marktorientierung ("gewöhnlicher Geschäftsverkehr") trägt das Verfahren unmittelbar Rechnung, indem es den geschätzten Preis (wahrscheinlichster Verkaufspreis) des Wertermittlungsobjektes aus den im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zeitnah tatsächlich erzielten Preisen vergleichbarer Objekte statistisch ableitet. Dazu bedarf es – im Gegensatz zu den rechenintensiveren Ertrags- und Sachwertverfahren – keiner theoretischen Modelle zur Ableitung marktkonformer Modellparameter.

 

Rz. 60

Die beiden Determinanten ökonomischer Wertbildung (Erwartung zukünftigen Nutzens und Substituierbarkeit) spiegeln sich zwangsläufig in den tatsächlichen Preisen der Vergleichsobjekte wider, so dass es auf die Gepflogenheiten des Teilmarktes nicht weiter ankommt. Die Zukunftserwartungen bezüglich des künftig aus dem Eigentum (oder grundstücksgleichen Recht) zu ziehenden Nutzens (z.B. Komfort, Sicherheit oder auch Ertrag) haben unweigerlich die Vergleichspreise geprägt, und es kann letztlich sogar dahinstehen, ob und inwieweit sich die Marktteilnehmer selbst bei ihrer individuellen, subjektiven Wertbildung auch an Vergleichspreisen orientieren.

Durch die statistische Ableitung des Verkehrswertes aus einer Vielzahl von subjektiven Marktpreisen im Tauschverkehr, d.h. eine Aggregation von Preisvorstellungen einer Gruppe von Marktteilnehmern, erfolgt eine Objektivierung, also eine Loslösung von individuellen Aspekten.

 

Rz. 61

Im Vergleichswertverfahren kann der unmittelbare oder mittelbare Preisvergleich angewendet werden. Beim unmittelbaren Preisvergleich wird der Verkehrswert direkt aus Vergleichspreisen von gleichen Objekten mit gleichen Zustandsmerkmalen abgeleitet (z.B. Kaufpreise von vergleichbaren Wohnungseigentumseinheiten im selben Gebäude). Beim mittelbaren Preisvergleich auf Einheitspreisbasis mit spezifischen Zu- und Abschlägen wird der Verkehrswert nicht ausgeglichen, jedoch aus vergleichbaren oder vergleichbar gemachten Objekten abgeleitet (z.B. Bodenwertableitung aus Bodenrichtwerten). Hierbei kommen Anpassungen insbesondere für Zeitpunkt, Lage, Beschaffenheit, rechtliche Belange und sonstige wertbeeinflussende Umstände in Betracht.

 

Rz. 62

Wesentliche Voraussetzungen für die Anwendung des Vergleichswertverfahrens sind

eine ausreichende Anzahl verfügbarer Daten (insbesondere Kaufpreise) aus Kauffällen
temporale und qualitative Vergleichbarkeit der Kauffälle mit dem Wertermittlungsobjekt.

Sind tatsächliche Kaufpreise aus Kauffällen verfügbar, die im relevanten Markt(segment) vereinbart wurden (z.B. aus der Kaufpreissammlung), so ist zunächst zu untersuchen, ob deren Verteilung beeinflusst wird, entweder von Transaktionen, die nicht dem gewöhnlichen Geschäftsverkehr zuzurechnen sind (§ 9 Abs. 2 ImmoWertV), oder von einem unzureichenden Grad an Vergleichbarkeit mit dem Bewertungsobjekt oder -stichtag (§ 25 ImmoWertV).

 

Rz. 63

Typischerweise wird das Vergleichswertverfahren bei eigengenutzten Wohnimmobilien (z.B. unvermieteten Eigentumswohnungen) und zur Bodenwertermittlung bei unbebauten wie auch bebauten Grundstücken angewendet.

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