Rz. 55

Will der Arbeitnehmer das Änderungsangebot nur unter dem Vorbehalt annehmen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt ist, muss er diesen Vorbehalt gem. § 2 S. 2 KSchG binnen der Kündigungsfrist, spätestens jedoch innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung ggü. dem Arbeitgeber erklären. Setzt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine zu kurze Frist zur Annahme des Vertragsangebots, führt dies nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung (BAG v. 18.10.2018 – 2 AZR 374/18, Rn 29). Vielmehr würde (nur) die gesetzliche Frist des § 2 S. 2 KSchG ausgelöst (BAG v. 18.10.2018 – 2 AZR 374/18, Rn 29; BAG v. 18.5.2006 – 2 AZR 230/05, Rn 20, BAGE 118, 190). Die Erklärung ist nicht formbedürftig, zu Beweiszwecken empfiehlt sich jedoch die Wahrung der Schriftform.

 

Rz. 56

Soweit aufgrund eines geltenden Tarifvertrages eine kürzere Kündigungsfrist als die dreiwöchige Erklärungsfrist des § 2 KSchG gilt, muss nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut der Vorbehalt bis zum Ablauf der tarifvertraglichen kürzeren Kündigungsfrist erklärt werden.

 

Rz. 57

Erklärt der Arbeitnehmer den Vorbehalt lediglich im Prozess i.R.d. Frist wahrend eingelegten Klage, so geht dem Arbeitgeber die Vorbehaltserklärung erst mit der förmlichen Zustellung der Klage und somit möglicherweise nach Ablauf der Erklärungsfrist und daher verspätet zu. Die gem. § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. den §§ 495, 270 Abs. 3 ZPO geltende Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Klageerhebung, wenn diese "demnächst" zugestellt wird, gilt für die Vorbehaltserklärung nicht (LAG Hamm v. 13.10.1988, LAGE § 2 KSchG Nr. 7 KSchG). Der Vorbehalt ist daher in einem solchen Fall nicht wirksam erklärt. Dies hat zur Folge, dass das ArbG allein die Sozialwidrigkeit der Beendigungskündigung prüft.

 

Rz. 58

Etwas anderes soll nach der Auffassung von Richardi (ZfA 1971, 99) nur dann gelten, wenn die Kündigungsfrist länger ist und der Arbeitgeber die Klage mit der darin enthaltenen Vorbehaltserklärung noch vor Ablauf der Kündigungsfrist zugestellt bekommt und er somit von dem Vorbehalt des Arbeitnehmers vor Ablauf der Kündigungsfrist Kenntnis erlangt. Der Arbeitgeber sei dadurch ausreichend geschützt.

 

Rz. 59

 

Hinweis

Es ist infolgedessen nicht zu empfehlen, die Vorbehaltserklärung erst in der Kündigungsschutzklage abzugeben, da Klageschriften dem Arbeitgeber häufig erst nach Ablauf der 3-Wochen-Frist vom ArbG zugestellt werden.

§ 9 Abs. 1 S. 1 KSchG findet im Rahmen einer Änderungsschutzklage nach § 4 S. 2 KSchG weder unmittelbare noch analoge Anwendung (BAG v. 24.10.2013 – 2 AZR 320/13). Ein Arbeitnehmer, der das mit einer Kündigung verbundene Änderungsangebot unter dem Vorbehalt des § 2 KSchG annimmt, muss gem. § 4 S. 2 KSchG Klage auf Feststellung erheben, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus sonstigen Gründen unwirksam ist. Die Beendigungswirkung der Kündigung steht in einer solchen Fallkonstellation nicht mehr im Streit (BAG v. 24.10.2013 – 2 AZR 320/13, Rn 15).

 

Rz. 60

Infolge der Annahme des Änderungsangebots – wenn auch unter Vorbehalt – steht vielmehr fest, dass das Arbeitsverhältnis fortbesteht (BAG v. 24.10.2013 – 2 AZR 320/13, Rn 15). Streitgegenstand der Änderungsschutzklage ist allein, zu welchen Bedingungen es fortbesteht (BAG v. 24.10.2013 – 2 AZR 320/13, Rn 15; BAG v. 25.4.2013 – 2 AZR 960/11, Rn 29; BAG v. 19.7.2012 – 2 AZR 25/11, Rn 20; BAG v. 26.1.2012 – 2 AZR 102/11, Rn 13; BAG v. 26.8.2008 – 1 AZR 353/07, Rn 17, EzA KSchG § 2 Nr. 72).

 

Rz. 61

Hat die Klage Erfolg, stellt das Gericht entsprechend § 4 S. 2 KSchG fest, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus einem anderen Grund unwirksam ist. Anderenfalls weist es die Änderungsschutzklage ab und das Arbeitsverhältnis besteht zu den für diesen Fall akzeptierten, geänderten Bedingungen fort. Aus § 8 KSchG ergibt sich trotz der missverständlichen Formulierung nichts anderes. Die Bestimmung stellt lediglich klar, dass die mit der Annahme unter Vorbehalt verbundene auflösende Bedingung rückwirkend eintritt, der Arbeitsvertragsinhalt also von Anfang an unverändert fortbesteht, wenn der Kläger mit der Änderungsschutzklage obsiegt (BAG v. 24.10.2013 – 2 AZR 320/13, Rn 15).

 

Rz. 62

Hat der Arbeitnehmer ein mit der Kündigung verbundenes Angebot des Arbeitgebers zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Bedingungen unter dem Vorbehalt des § 2 KSchG angenommen, genügt es zur Vermeidung der Rechtsfolgen des § 7 KSchG, wenn er innerhalb der Klagefrist Kündigungsschutzklage nach § 4 S. 1 KSchG erhebt und den Antrag später entsprechend § 4 S. 2 KSchG fasst (BAG v. 21.5.2019 – 2 AZR 26/19, Ls.). Zur Vermeidung der Rechtsfolgen des § 7 KSchG ist es nach Auffassung des BAG ausreichend, dass innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Änderungskündigung eine Kündigungsschutzklage (§ 4 S. 1 KSchG) erhoben wird und der Klageantrag im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht auf einen Antrag nach § 4 S. 2 KSchG umgestellt wird (BAG v. 21.5.2019 –...

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