Rz. 43

Zwar reicht die Verfügungsmacht des Testamentsvollstreckers grundsätzlich so weit, dass eine Verfügung auch dann wirksam ist, wenn sie der ordnungsmäßigen Verwaltung des Nachlasses widerspricht. Weiterhin kann der Testamentsvollstrecker zur ausschließlichen Erfüllung einer Verbindlichkeit auch mit sich selbst kontrahieren, so z.B. zur Erfüllung eines fälligen Vergütungsanspruchs aus § 2221 BGB.

 

Rz. 44

Jedoch setzt die Wirksamkeit von Insichgeschäften i.S.v. § 181 BGB – wie der Erfüllung eines fälligen Vergütungsanspruchs aus § 2221 BGB – beim wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Erblassers an, weil dieser Wille für den Umfang der Rechtsmacht des Testamentsvollstreckers maßgeblich ist. Wie weit der Erblasser dem Testamentsvollstrecker das Selbstkontrahieren gestattet hat, ist eine Frage der Auslegung der Verfügung von Todes wegen, insbesondere der Testamentsvollstreckeranordnung. Da jedoch der Erblasser den Testamentsvollstrecker von der Verpflichtung, den Nachlass ordnungsmäßig zu verwalten, gemäß §§ 2220, 2216 BGB nicht befreien kann, muss stets hinzutreten, dass das Insichgeschäft der ordnungsmäßigen Verwaltung nicht widerspricht, weil andernfalls die Vornahme dieses Geschäfts unwirksam ist. Dadurch tritt bei der Frage, ob die Rechtsmacht des Testamentsvollstreckers sich auf den Abschluss eines Insichgeschäfts erstreckt, der Gesichtspunkt der ordnungsmäßigen Verwaltung in den Vordergrund; denn wenn das Rechtsgeschäft ordnungsmäßig ist, dann ist regelmäßig auch die Gestattung durch den Erblasser anzunehmen, und wenn es ordnungsmäßiger Verwaltung nicht entspricht, dann erhielte der Testamentsvollstrecker auch durch eine vom Erblasser erteilte Gestattung keine Ermächtigung. Es wird daher beim Insichgeschäft der Rahmen der Verfügungsmacht durch das Gebot der ordnungsmäßigen Verwaltung abgegrenzt.

 

Rz. 45

Die Zulässigkeit des Selbstkontrahierens durch den Erblasser muss der Testamentsvollstrecker beweisen. Er kann den Beweis dadurch führen, dass er eine entsprechende Willensäußerung, wonach ihm das Insichgeschäft gestattet war, dartut, oder dass er sich auf den Vollzug einer gültigen letztwilligen Verfügung des Erblassers beruft, oder dass er das Insichgeschäft als ordnungsmäßige Verwaltungsmaßnahme ausweist. Kann der Testamentsvollstrecker diesen Beweis nicht führen, war das vorgenommene Insichgeschäft unzulässig und wird von seiner Rechtsmacht nicht umfasst. Das Rechtsgeschäft ist daher unwirksam.

Hier kam nur in Betracht darzulegen, dass das Insichgeschäft eine ordnungsmäßige Verwaltungsmaßnahme ist, da weder eine Gestattung des Erblassers oder eine entsprechende letztwillige Verfügung des Erblassers vorlagen.

 

Rz. 46

Da die vom Beklagten entnommene Vergütung überhöht war, entsprach die Entnahme insoweit nicht der dem Beklagten obliegenden ordnungsgemäßen Verwaltung und war mithin schwebend unwirksam. Da die Klägerinnen als Erbinnen ihre nachträgliche Genehmigung der Entnahme versagten, konnte der Wirksamkeitsmangel nicht geheilt werden.

Ob die Überentnahme darüber hinaus als eine schuldhafte Pflichtverletzung anzusehen ist, die zu Schadenersatz in Höhe der tenorierten Summe aus § 2219 Abs. 1 BGB verpflichtet und zudem einen Entlassungsgrund darstellt, bedarf keiner Entscheidung, da die Klägerinnen insoweit ein Verschulden bei der Berechnung der Vergütungshöhe nicht behauptet haben.

 

Rz. 47

Soweit die Klägerinnen Ersatz des Zinsschadens wegen der vorzeitigen Entnahme aus § 2219 Abs. 1 BGB verlangen, da der Beklagte schuldhaft vor Fälligkeit die 317.956 EUR entnommen habe, kann nach oben verwiesen werden.

Es erscheint vertretbar, vor dem endgültigen Abschluss bereits nach Erbringen der wesentlichen Leistungen die Vergütung zu entnehmen. Erkennbar hat sich auch der Beklagte von diesem Gedanken leiten lassen. Dass ihm insoweit Fahrlässigkeit oder Vorsatz vorzuwerfen ist, ist nicht hinreichend dargetan.[17]

[17] Die Ausführungen des Gerichts, die unter Rdn 43–47 wiedergegeben sind, sind, was die Entnahmebefugnis des Testamentsvollstreckers angeht, im Ergebnis richtig, bedurften allerdings keines Rückgriffs auf § 181 BGB. Der Testamentsvollstrecker ist auch ohne Befreiung von § 181 BGB grundsätzlich zur Selbstentnahme seiner Vergütung aus dem Nachlass berechtigt, vgl. OLG Hamburg, Beschl. v. 28.8.2019 – 2 W 66/19; OLG München, Urt. v. 15.11.2017 – 20 U 5006/16. Hat der Testamentsvollstrecker eine zu hohe Vergütung entnommen, hat er diesen Teil der Vergütung ohne Rechtsgrund erlangt und ist daher unmittelbar aus § 812 Abs. 1 S. 1 BGB zur Rückzahlung verpflichtet.

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