Rz. 82

Wird freiwillig kein Titel erstellt, kann die Unterhaltsberechtigte nur durch die Einleitung eines gerichtlichen Zahlungsverfahrens gem. §§ 231 ff. FamFG den gewünschten Titel erlangen.

Hier lauern im weiteren Verfahren aber für beide Beteiligte bei falscher Vorgehensweise im Verfahren Risiken.

aa) Vorgehensweise des Antragstellers

 

Rz. 83

Für den Antragsteller hat das Verfahren am Anfang keine Besonderheiten. Es wird ein Zahlungsantrag gestellt, der sich nur auf laufenden Unterhalt richtet, denn es sind keine Rückstände angefallen sind.

Zahlt der Unterhaltspflichtige im Laufe des Verfahrens weiter, so wird jeweils der monatliche Unterhaltsanspruch erfüllt.

 

Rz. 84

 

Praxistipp:

Die bereits freiwillig geleisteten Unterhaltszahlungen müssen aber bei der Fassung des Antrags und des Entscheidungstenors berücksichtigt werden, da der Pflichtige die gerichtlich titulierten Beträge nur einmal schuldet.[86]
Wird der Antrag nicht entsprechend reduziert, ist er hinsichtlich der zwischenzeitlich erbrachten Zahlungen abzuweisen mit der Kostenfolge des § 243 Nr. 1 FamFG!
Vor Antragsstellung gezahlte Beträge führen zur Erfüllung, nach Rechtshängigkeit gezahlte Beträge zur Erledigung der Hauptsache.[87]

Die in Abzug zu bringenden Zahlungen müssen dabei auf jeden Fall genau betragsmäßig ausgewiesen werden.

 

Rz. 85

Sind die in der Zwischenzeit auf zurückliegende Zeiträume erbrachten Zahlungen aber nicht genau bekannt, können sich daraus drei verschiedene Vorgehensweisen im gerichtlichen Verfahren ergeben:

1. Das Gericht spricht den eingeklagten Betrag in vollem Umfang zu, weil die behaupteten Zahlungen nicht ausreichend substantiiert bzw. nicht nachgewiesen worden sind. Ob die – dann nachgewiesenen – Zahlungen im nachfolgenden Vollstreckungsverfahren noch berücksichtigt werden, ist nicht sichergestellt.
2.

Nicht selten gehen in dieser Situation beide Parteien einvernehmlich davon aus, dass tatsächlich erbrachte Zahlungen angerechnet werden sollen. In einem solchen Fall sind alle Beteiligten schnell geneigt, in den Antrag und den Tenor der darauf ergehenden gerichtlichen Entscheidung die Formulierung aufzunehmen "Bereits gezahlte Beträge sind anzurechnen."

Ein solcher Titel ist jedoch inhaltlich unbestimmt und deshalb nicht vollstreckungsfähig.[88] Besonders nachteilig – und für den Verfahrensbevollmächtigten regressträchtig – ist, dass damit nicht nur dieser Zusatzpassus über die Anrechnung der nicht genau festgelegten Zahlungen aus dem Titel eliminiert wird, sondern die Zwangsvollstreckung aus diesem Titel insgesamt unzulässig wird. Der ganze Titel ist damit wertlos! Auch hier steht der Anwaltsregress im Raume.

3. Prozessrechtlich sauber ist bei dieser Sachlage die Vertagung mit der Auflage an beide Beteiligten, die Zahlungen zu klären und im nächsten Termin entsprechende Unterlagen vorzulegen. Dann hat man aber möglicherweise die gleiche Unklarheit mit der Forderung des dann aktuellen Monats.
 

Rz. 86

 

Praxistipp:

Aus praktischen Gründen ist folgende Vorgehensweise akzeptabel:

Der Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners (des Unterhaltspflichtigen) erklärt zu Protokoll, dass sein Mandant auch in dem – konkret zu bezeichnenden – letzten Monat den Unterhalt – in konkret bezeichneter Höhe – bezahlt hat.
Der Verfahrensbevollmächtigte des Antragsstellers (der Unterhaltsberechtigten) erklärt, dass er diese Zahlung bei seiner Abrechnung der Forderung berücksichtigen werde, wenn sie tatsächlich erfolgt ist.
Der Antragsteller stellt den Antrag ohne entsprechende Einschränkungen.
Der Titel ergeht ebenfalls ohne entsprechende Einschränkungen.
[86] BGH FamRZ 1998, 1165 = NJW 198, 3116.
[87] Büte in Büte/Poppen/Menne Unterhaltsrecht, 2015, § 243 FamFG Rn 8.
[88] BGH, Urt. v. 7.12.2005 – XII ZR 94/03, FamRZ 2006, 261 = ZFE 2006, 111; OLG Zweibrücken ZFE 2002, 167 = FamRZ 2003, 692; Friederici/Unger in Schnitzler, Münchner Anwaltshandbuch, 2020, § 5, Rn 122 m.w.N.

bb) Vorgehensweise des Antragsgegners

 

Rz. 87

Bestrebung des Unterhaltspflichtigen ist es, durch das von der Berechtigten eingeleitete Verfahren nicht mit Kosten belastet zu werden. Hierzu muss er ein sofortiges Anerkenntnis erklären mit der Kostenfolge des § 243 Nr. 4 FamFG. Dann ergeht ein Anerkenntnisbeschluss, der gem. § 38 Abs. 4 Nr. 1 FamFG vom Gericht nicht begründet werden muss.

 

Rz. 88

 

Praxistipp:

Dem Unterhaltspflichtigen als Antragsgegner können nur dann die Verfahrenskosten erspart bleiben,

wenn sein Verhalten als wirksames Anerkenntnis – und zwar als "sofortiges Anerkenntnis" – zu werten ist
und er keine Veranlassung zur Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens (früher: keine Klageveranlassung) gegeben hat.

Die Beweislast für ein sofortiges Anerkenntnis trägt der Antragsgegner.[89]

(1) Sofortiges Anerkenntnis

 

Rz. 89

Da in Unterhaltssachen Anwaltszwang besteht (§ 114 Abs. 1 FamFG), kann ein nicht anwaltlich vertretener Unterhaltspflichtiger, der bislang freiwillig gezahlt hat, kein verfahrensr...

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