Rz. 614

Der Urlaubsanspruch ist ein privatrechtlicher Anspruch auf Befreiung von der Arbeitspflicht bei Fortzahlung der Vergütung in Gestalt des zu zahlenden Urlaubsentgeltes, § 11 BUrlG (vgl. unten Rdn 1713 ff.). Er ist unabdingbar, unverzichtbar und auch durch Tarifvertrag nur zugunsten des Arbeitnehmers abänderbar (§ 13 Abs. 1 BUrlG). Die Tarifvertragsparteien dürfen abweichend von der Berechnungsmethode zu § 11 Abs. 1 BUrlG für die Bemessung des Urlaubsentgeltes den konkreten Lohnausfall heranziehen. Ebenso dürfen sie regeln, das Urlaubsentgelt nach dem Durchschnitt der letzten vor der Urlaubsgewährung abgerechneten 12 Kalendermonate zu bemessen (sog. Referenzmethode). Das gilt auch für den gesetzlichen Mindesturlaub. Allerdings steht es den Tarifvertragsparteien frei, eine Berechnungsmethode (Lohnausfallprinzip oder Referenzmethode) für das während des Urlaubes zu gewährende Entgelt festzulegen (vgl. BAG v. 3.12.2002, NZA 2003, 1219).

 

Rz. 615

Der Urlaubsanspruch entsteht, wenn ein Arbeitsverhältnis besteht und die Wartezeit erfüllt ist. Unerheblich dabei ist, ob der Arbeitnehmer im Urlaubsjahr langfristig krank war. Da der Urlaubsanspruch nur als Anspruch auf Freistellung von der Arbeit zu verstehen ist, ist für diesen der Umfang der vom Arbeitnehmer im Urlaubsjahr erbrachten Arbeitsleistungen unerheblich (BAG v. 28.1.1982, NJW 1982, 1548 = DB 1982, 1065). Das BAG hat in seiner Entscheidung v. 24.3.2009 (9 AZR 983/07, NZA 2009, 538–547 = NJW 2009, 2238; dem EuGH v. 20.1.2009 – Rs. C-350/06 "Schultz-Hoff", DB 2009, 234 = NJW 2009, 495 folgend) die Rechtsprechung zur Urlaubsabgeltung bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit geändert. Der Urlaubs(abgeltungs)anspruch bleibt bestehen, auch wenn der Urlaub wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit nicht genommen werden konnte. Eine unbegrenzte Übertragung des Urlaubs über mehrere Bezugszeiträume hinweg ist mit dem Erholungszweck des Urlaubsanspruches jedoch nicht vereinbar. Ein Übertragungszeitraum von 15 Monaten ist mindestens erforderlich (EuGH v. 22.11.2011 – C-214/10 "Schulte"). Das BAG v. 7.8.2012 – 9 AZR 353/10 stellte klar, dass grenzenloses Ansammeln von Urlaub bei langzeiterkrankten Arbeitnehmern nicht möglich ist. Der Erhalt des Urlaubsanspruchs in einem ruhenden Arbeitsverhältnis ist jedoch weiterhin ungeklärt. In Ruhensfällen, die nicht auf Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers beruhen, wird man wohl davon ausgehen können, dass Urlaubsansprüche entweder gar nicht entstehen oder aber jedenfalls unterjährig anteilig gekürzt werden dürfen, wenn das Ruhen auf einer Parteivereinbarung beruht oder der Sachverhalt mit einer einvernehmlichen Teilzeitkonstellation wie Elternzeit, Kurzarbeit, Pflegezeit, unbezahlter Freistellung oder Ähnlichem vergleichbar ist.

Resturlaub verfällt nicht mit dem Tod eines Arbeitnehmers, vielmehr gehen Ansprüche wegen nicht genommenen Urlaubs auf die Erben über (EuGH v. 12.6.2014 – C-118/13): Die bisherige Rechtsprechung deutscher Arbeitsgerichte (so etwa BAG v. 20.9.2011 – 9 AZR 416/10) ist damit nicht mehr rechtmäßig. Erben können künftig Abgeltung für vom Erblasser nicht genommenen Urlaub vom jeweiligen Arbeitgeber verlangen. Ob der Urlaub dabei noch zu Lebzeiten beantragt wurde, spielt keine Rolle, da Art. 7 der Richtlinie über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (2003/88/EG) einen solchen Antrag in keiner Weise voraussetze.

 

Rz. 616

Gem. § 7 Abs. 3 S. 1 BUrlG muss der Urlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubsanspruches und damit auch des Urlaubsentgeltanspruches ist unter den Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 S. 2 BUrlG bis zum 31.3. des Folgejahres möglich. Kann der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden, ist er abzugelten, § 7 Abs. 4 BUrlG (Dersch/Neumann, BUrlG, § 7 Rn 98 ff.). Der Arbeitgeber erfüllt den Urlaubsanspruch grds. dadurch, dass er die konkrete Lage des Urlaubes ggü. dem Arbeitnehmer bestimmt oder indem er dem Arbeitnehmer das Recht einräumt, die konkrete Lage des Urlaubes innerhalb eines bestimmten Zeitraumes selbst zu bestimmen. Hiervon ist regelmäßig auszugehen, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer für die Dauer der Kündigungsfrist unter Anrechnung bestehender Urlaubsansprüche von der Arbeitsleistung freistellt (vgl. BAG v. 6.9.2006, NJW 2007, 2796). Sagt der Anstellungsvertrag "Eine Übertragung von Resturlaub auf Folgejahre ist möglich", kann ein Ansparen auf unbeschränkt viele Folgejahre zulässig sein (BAG v. 18.10.2011 9 AZR 303/10).

 

Rz. 617

Eine wirksame Geltendmachung des Urlaubes als Voraussetzung für Zahlung des Urlaubsentgeltes an durch einen am Streik teilnehmenden Arbeitnehmer liegt nur dann vor, wenn er sich, zumindest vorübergehend, zur Wiederaufnahme der Arbeit bereit erklärt. Ein streikender Arbeitnehmer muss nicht nur erklären, dass er für die Dauer der gewünschten Urlaubsfestsetzung nicht mehr am Streik teilnehmen, sondern auch die während des Streikes suspendierte Arbeitspflich...

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