Rz. 1137

Überstunden (auch Überarbeit, Überschicht – weitgehend eingebürgert hat sich der Begriff Mehrarbeit) leistet der Arbeitnehmer, der über die für sein Beschäftigungsverhältnis geltende Arbeitszeit hinaus arbeitet (BAG v. 8.11.1989 – 5 AZR 642/88).

 

Rz. 1138

Das Recht zur Anordnung von Mehrarbeit kann sich nur aus einer ausdrücklichen Vereinbarung ergeben. Hierfür kommen als Grundlage der Tarifvertrag, die Betriebsvereinbarung und der Arbeitsvertrag in Betracht. In Bezug auf den Arbeitsvertrag ist eine am Einzelfall ausgerichtete Auslegung dahin gehend geboten, ob dem Arbeitgeber danach das Recht zur einseitigen Anordnung von Überstunden zustehen soll. Im Fall der Anordnung von Mehrarbeit hat der Arbeitgeber die Grundsätze billigen Ermessens zu berücksichtigen. Er muss seine und die Interessen des betroffenen Arbeitnehmers abwägen und einen angemessenen Ausgleich herstellen. Für den Arbeitgeber streiten sämtliche betriebliche Interessen. Zu beachtende Interessen des Arbeitnehmers können besonders grundrechtlich geschützte und gesundheitliche Belange sein. Es ist daher zu empfehlen, dass der Arbeitgeber eine angemessene Ankündigungsfrist einhält (Rosenau, NJW-Spezial 2010, 754, 755). Besteht keine Rechtsgrundlage, so kommt eine Verpflichtung zur Leistung von Überstunden nur in Ausnahmefällen infrage und zwar als Nebenpflicht aus § 242 BGB. Dies kann bei einem nicht anders abwendbaren Notfall der Fall sein, wenn die Voraussetzungen und Grenzen von § 14 ArbZG beachtet werden (Rosenau, NJW-Spezial 2010, 754). Die Tatsache, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer längere Zeit unter Überschreitung der vertraglichen Arbeitszeit einsetzt, bewirkt keine Änderung des Arbeitsvertrages (BAG v. 22.4.2009 – 5 AZR 133/08).

 

Rz. 1139

Bei der Gestaltung der Arbeitszeit über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus (vgl. dazu unter Arbeitsschutzrecht, Arbeitszeitregelungen) hat der Betriebsrat über die Anordnung von Überstunden gem. § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG mitzubestimmen. Unter das Mitbestimmungsrecht fällt neben der Anordnung auch die duldende Entgegennahme von Überstunden (Rosenau, NJW-Spezial 2010, a.a.O.) Das Mitbestimmungsrecht besteht grds. auch bei eilbedürftigen Maßnahmen, allerdings können die Betriebspartner und die Tarifvertragsparteien durch eine Verfahrensregelung den Arbeitgeber für außergewöhnliche Fälle vorläufig und kurzfristig zu einer einseitigen Anordnung von Mehrarbeit ermächtigen (BAG v. 17.11.1998 – BAG v. 17. 11. 1998 – 1 ABR 12/98).

 

Rz. 1140

Regelungen zur Abgeltung von Mehrarbeit können sich aus Tarifvertrag, in Ausnahmefällen aus Betriebsvereinbarung oder auch aus dem Arbeitsvertrag ergeben. Eine Vereinbarung, nach der etwa anfallende Überstunden pauschal als mit dem Monatsentgelt abgegolten gelten sollen, ist mangels Bestimmtheit unwirksam. Zur Wirksamkeit einer solchen Pauschalierung sind die Höchstzahlen der zugrunde gelegten Überstunden und ein Bemessungszeitraum zu vereinbaren (Raif/Nann, ArbRAktuell 2016, 204). Nach aktueller Rechtsprechung genügt die AGB-Klausel "erforderliche Überstunden sind mit dem Monatsgehalt abgegolten" nicht dem Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB, wenn sich der Umfang der danach ohne zusätzliche Vergütung zu leistenden Überstunden nicht hinreichend deutlich aus dem Arbeitsvertrag ergibt (BAG v. 17.8.2011 - 5 AZR 406/10; BAG v. 1.9.2010 - 5 AZR 517/09). Daher muss der Arbeitgeber i.R.d. Arbeitsvertragsgestaltung darauf achten, dass der Arbeitnehmer aus dem Vertrag erkennen kann, welche maximale Arbeitsleistung er für die vereinbarte Vergütung erbringen muss (Rosenau, NJW-Spezial 2010, a.a.O.). Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot kann bei einer Abgeltungsklausel dadurch verhindert werden, dass die Klausel einen ausdrücklichen Hinweis auf das Arbeitszeitgesetz und eine danach zulässige wöchentliche Arbeitszeit enthält (BAG v. 17.8.2011 - 5 AZR 406/10). Auch müssen die Voraussetzungen bestimmt sein, unter denen Überstunden angeordnet werden können. So sollte in der Klausel klargestellt werden, dass Überstunden lediglich bei entsprechender Anordnung oder dringenden betrieblichen Gründen zu leisten sind. Auch ist es ratsam, die Klausel durch eine Ausschlussklausel zu ergänzen, um so von vornherein die Ansammlung von Überstunden über einen längeren Zeitraum zu vermeiden (Schramm/Kuhnke, NZA 2012, 127).

 

Praxistipp

Eine wirksame Klausel könnte wie folgt formuliert werden (Klausel nach Bissels/Haag, ArbRAktuell 2011, 83):

Zitat

"1. Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt × Stunden. Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit sowie die Lage der Pausen richten sich nach den arbeitgeberseitigen Vorgaben und den betrieblichen Erfordernissen. 2. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, auf Anordnung des Arbeitgebers und bei betrieblichen Erfordernissen im gesetzlich zulässigen Umfang an Samstag, Sonntagen und Feiertagen zu arbeiten und Mehrarbeit und Überstunden zu leisten. Dies gilt auch für Geschäftsreisen."

 

Rz. 1141

Die Entscheidung eines Arbeitgebers, Mehrarbeit zukünftig im Wesent...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge