I. Vorsorgevollmacht trotz Nachlasspflegschaft?

 

Rz. 34

Die Frage muss wohl richtigerweise umgekehrt formuliert werden: Nachlasspflegschaft trotz Vorsorgevollmacht? Denn eine trans- oder postmortale Generalvollmacht wird in vielen Fällen das Fürsorgebedürfnis, das erforderlich ist, um Nachlasspflegschaft anzuordnen, entfallen lassen (siehe § 16 Rdn 12 ff.).[96] Weiß das Nachlassgericht von der Vorsorgevollmacht, wird es regelmäßig gar keine Nachlasspflegschaft anordnen.[97]

 

Rz. 35

Gleichwohl ist ein Nebeneinander denkbar.[98] Etwa wenn der Nachlass eine ungewöhnlich schwierige Verwaltung notwendig macht oder die Belange der unbekannten Erben durch den Bevollmächtigten als nicht gesichert anzusehen sind.[99] Aber auch dann, wenn die Wirksamkeit der Vollmacht etwa aufgrund Geschäftsunfähigkeit angezweifelt wird, mag eine Nachlasspflegschaft in Betracht kommen.[100]

[96] Becker, ZEV 2018, 692; DNotI-Report 2013, 84.
[97] Roth, NJW-Spezial 2010, 231, der auch darauf hinweist, dass letztlich nur die (zusätzliche) Anordnung der Testamentsvollstreckung die Nachlasspflegschaft sicher verhindert.
[98] Zur Frage, wie und ob sich der Vorsorgebevollmächtigte (als Vertreter der Erben?) gegen die Anordnung der Nachlasspflegschaft zur Wehr setzen kann, Everts, NJW 2010, 2318; ein eigenes Beschwerderecht hat er jedenfalls nicht, OLG München, Beschl. v. 26.2.2010 – 31 Wx 16/10, NJW 2010, 2364. Der Erbe, der ausgeschlagen hat, hat kein Beschwerderecht gegen die Anordnung der Nachlasspflegschaft OLG Hamm, Beschl. v. 19.12.2013 – 15 W 122/13, ErbR 2014, 243. Ebenso wenig ein Vermächtnisnehmer OLG Düsseldorf, Beschl. v. 25.10.2013 – I-3 Wx 151/13, ErbR 2014, 243.
[99] DNotI-Report 2013, 84.

II. Nebeneinander von Vollmacht und Nachlasspflegschaft

 

Rz. 36

In diesem Fall bleibt die Vollmacht von der Anordnung der Nachlasspflegschaft zunächst unberührt. Der Bevollmächtigte vertritt weiterhin die (unbekannten) Erben. Die Rechte der Erben gegenüber dem Bevollmächtigten macht dann der Nachlasspfleger für diese geltend. Dies gilt für Auskunfts- und Rechenschaftsansprüche gleichermaßen wie für Ansprüche der Erben bei pflichtwidrigem Handeln des Bevollmächtigten.

III. Widerruf der Vollmacht durch den Nachlasspfleger?

 

Rz. 37

Die Vollmacht ermächtigt zur Vertretung der Erben nur, solange sie nicht widerrufen ist.

Aber auch der Nachlasspfleger kann eine solche Vollmacht widerrufen,[101] wenn sein Wirkungskreis nicht entsprechend eingeschränkt ist. Er trägt dabei die Beweislast dafür, dass die Vollmacht rechtzeitig und wirksam widerrufen wurde.[102] Es ist darauf zu achten, dass die Vollmacht gegenüber Dritten nicht über Rechtsscheingesichtspunkte fortwirkt (§§ 170172 BGB).

[101] BGH, Urt. v. 25.10.1994 – XI ZR 239/93, NJW 1995, 250; OLG Brandenburg, Beschl. v. 14.9.2006 – 13 W 37/06, BeckRS 2011, 16784; Kurze/Goertz, Bestattungsrecht, § 2 Rn 41; im Ergebnis auch DNotI-Report 2013, 84; Scherer/Lorz, MAH ErbR, § 20 Rn 42.
[102] Kurze, ZErb 2008, 399, 402.

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