Rz. 6

BGH, Urt. v. 1.3.2005 – VI ZR 91/04, VersR 2005, 994

Zitat

BGB § 249

Erwirbt der Geschädigte ein Ersatzfahrzeug zu einem Preis, der dem in einem Sachverständigengutachten ausgewiesenen (Brutto-)Wiederbeschaffungswert des unfallbeschädigten Kraftfahrzeugs entspricht oder diesen übersteigt, kann er im Wege konkreter Schadensabrechnung die Kosten der Ersatzbeschaffung bis zur Höhe des (Brutto-)Wiederbeschaffungswertes des unfallbeschädigten Kraftfahrzeugs – unter Abzug des Restwertes – ersetzt verlangen. Auf die Frage, ob und in welcher Höhe in dem im Gutachten ausgewiesenen (Brutto-)Wiederbeschaffungswert Umsatzsteuer enthalten ist, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an (Abgrenzung zu den Senatsurt. v. 20.4.2004 – VI ZR 109/03, BGHZ 158, 388 und v. 18.5.2004 – VI ZR 267/03, VersR 2004, 927).

a) Der Fall (verallgemeinert)

 

Rz. 7

Der Sachverständige ermittelte einen Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs (eines vier Jahre alten Passat TDI Trendline) von 11.900 EUR brutto und einen Restwert von 5.000 EUR. Der nicht vorsteuerabzugsberechtigte Kläger erwarb bei einem gewerblichen Kfz-Händler ein im Sinne des § 25a UStG differenzbesteuertes Ersatzfahrzeug (einen fünf Jahre alten Audi A 4 TDI) zum Preis von 13.400 EUR. Der Haftpflichtversicherer des Schädigers zahlte an den Kläger lediglich einen Betrag von 5.000 EUR, wobei er den Netto-Wiederbeschaffungswert aus dem Sachverständigengutachten unter Zugrundelegung des Regel-Mehrwertsteuersatzes im Sinne des § 10 UStG von 19 % errechnete (11.900 EUR – 1.900 EUR = 10.000 EUR) und hiervon den Restwert in Abzug brachte. Darüber hinaus zahlte sie weitere 268 EUR als bei dem Erwerb des Ersatzfahrzeugs tatsächlich angefallene, mit 2 % des Verkaufspreises geschätzte Differenz-Umsatzsteuer im Sinne des § 25a UStG.

Der Kläger verlangte Schadensersatz in Höhe des gesamten – um den Restwert gekürzten – Brutto-Wiederbeschaffungswertes.

b) Die rechtliche Beurteilung

 

Rz. 8

Will der Geschädigte seinen Schaden fiktiv auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens abrechnen, ist nach § 249 Abs. 2 S. 2 BGB von einem dort angegebenen Brutto-Wiederbeschaffungswert eine darin enthaltene Mehrwertsteuer abzuziehen. Weist das Sachverständigengutachten – in solchen Fällen – lediglich pauschal einen Brutto-Wiederbeschaffungswert aus, so besteht für den Tatrichter grundsätzlich Veranlassung zu klären, ob solche Fahrzeuge üblicherweise auf dem Gebrauchtwagenmarkt nach § 10 UStG regelbesteuert oder nach § 25a UStG differenzbesteuert oder von Privat und damit umsatzsteuerfrei angeboten werden.

 

Rz. 9

Hiervon unterscheidet sich der vorliegende Fall, in dem der Kläger ein Ersatzfahrzeug beschafft hatte und seinen Schaden konkret auf Basis dieser Ersatzbeschaffung abrechnete.

Durch die gesetzliche Neuregelung des § 249 Abs. 2 S. 2 BGB wollte der Gesetzgeber nichts an der Möglichkeit des Geschädigten ändern, den für die Herstellung erforderlichen Geldbetrag stets und insoweit zu verlangen, als er zur Herstellung des ursprünglichen Zustandes tatsächlich angefallen ist (vgl. BT-Drucks 14/7752, S. 22). Lediglich bei der fiktiven Schadensabrechnung nach einer Beschädigung von Sachen soll sich nach der Absicht des Gesetzgebers deren Umfang mindern, indem die fiktive Umsatzsteuer als zu ersetzender Schadensposten entfällt. Umsatzsteuer kann mithin nur noch dann ersetzt verlangt werden, wenn und soweit sie zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes durch Reparatur oder Ersatzbeschaffung auch tatsächlich anfällt, d.h. wenn und soweit sie der Geschädigte zur Wiederherstellung aus seinem Vermögen aufgewendet oder er sich hierzu verpflichtet hat. Sie soll hingegen nicht mehr ersetzt verlangt werden können, wenn und soweit sie nur fiktiv bleibt, weil es zu einer umsatzsteuerpflichtigen Reparatur oder Ersatzbeschaffung bei einem Fachbetrieb oder einem anderen umsatzsteuerpflichtigen Unternehmer im Sinne des § 2 UStG nicht mehr kommt. Wird eine gleichwertige Sache als Ersatz beschafft und fällt dafür Umsatzsteuer an, so ist die Umsatzsteuer im angefallenen Umfang zu ersetzen. Fällt für die Beschaffung einer gleichwertigen Ersatzsache – etwa beim Kauf von Privat – keine Umsatzsteuer an, ist sie auch nicht zu ersetzen (vgl. BT-Drucks 14/7752, S. 23).

 

Rz. 10

Im vorliegenden Fall ging es jedoch nicht um den Ersatz fiktiver Umsatzsteuer, sondern um den Ersatz des tatsächlich für die Ersatzbeschaffung aufgewendeten Betrages, allerdings begrenzt auf den Wiederbeschaffungswert des unfallbeschädigten Fahrzeugs.

 

Rz. 11

Hätte der Geschädigte ein völlig gleichartiges und gleichwertiges Fahrzeug entweder differenzbesteuert oder von Privat ohne Umsatzsteuer zu dem vom Sachverständigen genannten (Brutto-)Wiederbeschaffungswert erworben, würde eine Kürzung dieses Betrages um eine "fiktive Mehrwertsteuer" von 19 % im Rahmen der konkreten Schadensabrechnung der originären Funktion des Schadensersatzes widersprechen, die in der Wiederherstellung des früheren Zustandes liegt, und den Geschädigten schlechter stellen, als er vor dem Schadensereignis gestanden hat. Stellt der Geschädigte d...

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