Rz. 101

Eine Hemmung nach dieser Vorschrift kann zusätzlich zur Ablaufhemmung nach § 211 BGB eintreten. Der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, wird auf diese Weise nicht in die Verjährungsfrist eingerechnet (§ 209 BGB).

 

Rz. 102

Da der Nachlasspfleger ein Interesse daran hat, vorhandenen Forderungen verjähren zu lassen, muss er vermeiden, dass es über § 203 BGB zu einer weiteren Hemmung kommt. Andernfalls kann die Verjährungsfrist weiter als die sechsmonatige Ablaufhemmung des § 211 BGB laufen.

 

Rz. 103

Nach § 203 BGB ist die Verjährung für die Dauer der Verhandlungen über den Anspruch gehemmt, bis die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert wird. Die Verjährung tritt frühestens drei Monate nach dem Ende dieser Hemmung ein. Der Nachlasspfleger sollte entsprechend bei seinen Kontakten mit den Gläubigern tunlichst alles vermeiden, was als "Verhandlungen über den Anspruch" ausgelegt werden könnte.

 

Rz. 104

Verhandlungen schweben schon dann, wenn eine der Parteien Erklärungen abgibt, die der jeweils anderen die Annahme gestatten, der Erklärende lasse sich auf Erörterungen über die Berechtigung des Anspruchs oder dessen Umfang ein.[37] Es ist nicht erforderlich, dass der Verhandlungspartner seine Vergleichsbereitschaft geäußert hat.[38] Darlegungs- und beweispflichtig für den Beginn der Verhandlungen ist nach allg. Ansicht der sich auf die Hemmungswirkung des § 203 BGB berufende Gläubiger.[39]

 

Rz. 105

Stellt der Nachlasspfleger nach Auswertung der Nachlassunterlagen fest, dass ein Anspruch eines Nachlassgläubigers nach der Ablaufhemmung des § 211 BGB verjährt, bietet sich an, mit diesem keinen Kontakt aufzunehmen und den Eintritt der Verjährung abzuwarten. Die Kenntnis der Person des Anspruchsgegners erfordert nicht die Kenntnis der Person des Rechtsnachfolgers (Erben), auf den die Schuld nach ihrer Entstehung übergegangen ist. Daher ändert sich an einer bereits laufenden Verjährung durch den Tod des Schuldners nichts.[40] Gerade für diese Fälle sieht § 1961 BGB die Prozesspflegschaft vor, die der Gläubiger beantragen kann.

 

Rz. 106

Ist aber ein Kontakt vor Ablaufhemmung nötig, sollte beachtet werden: Fordert der Nachlasspfleger einen Gläubiger auf, seine Forderungen anzumelden und zu belegen und beruft sich dabei ggf. noch auf die Schonungseinrede, ist im von einer Verhandlung im Sinne des § 203 BGB auszugehen mit der Folge einer Verjährungshemmung.

 

Rz. 107

Leider ist auch ein deutlicher Hinweis im Gläubigeranschreiben, dass man Verhandlungen nach § 203 BGB ablehne, nach der Rechtsprechung unbeachtlich; hier sei dennoch von Verhandlungen auszugehen.[41] Allerdings ist es hiernach auch nicht ohne jede Rechtswirkung, wenn man zugleich darauf hinweist, dass man nicht von Verhandlungen im Sinne des § 203 BGB ausgehe. Eine solche Äußerung lässt sich widerspruchsfrei dahin gehend zusammenfassen, dass man sich zumindest dann nicht mehr als in Verhandlungen befindlich behandeln lassen wollte, wenn eine Substantiierung in angemessener Frist ausbliebe.[42]

 

Rz. 108

Die Rechtsprechung hat hier in einem Einzelfall eine Frist von zwei Monaten für angemessen gehalten.[43] Meines Erachtens bietet sich für das formalisierte Verfahren der Forderungsanmeldung eine Parallele zur Frist der Anmeldung von Insolvenzforderungen an. Die Frist beträgt nach § 28 Abs. 2 S. 2 InsO zwischen zwei Wochen und drei Monaten (je nach Festsetzung durch das Insolvenzgericht). Bei im Regelfall überschaubaren Nachlasspflegschaften mit entsprechenden Verbindlichkeiten sollten vier Wochen ausreichen. Insofern empfiehlt sich daher bei der (frühzeitigen) Korrespondenz mit eventuellen Gläubigern folgende Formulierung:

 

Rz. 109

 

Formulierungsbeispiel

…Ich fordere Sie auf, Ihre eventuellen Ansprüche gegen den Nachlass binnen einer Frist von vier Wochen ab Eingang dieses Schreibens schriftlich bei mir anzumelden. Übersenden Sie mir bitte entsprechende Kopien von Schriftstücken (Verträge, Rechnungen, Schuldtitel etc.), die Ihre Ansprüche belegen. Ich weise darauf hin, dass ich nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist nicht von Verhandlungen über die Ansprüche im Sinne des § 203 BGB ausgehe.

Damit ist gewährleistet, dass bei verspäteter Forderungsanmeldung die Hemmung endet.

 

Rz. 110

 

Beispiel

Tod des Erblassers am 1.1.2016

Bestellung zum Nachlasspfleger am 1.6.2016

Gläubigeranschreiben nach Muster am 10.6.2016

Forderungsanmeldung durch Gläubiger 15.6.2016

Nachlassgläubiger macht Forderungen geltend, die zum 31.12.2016 verjähren

Hemmung durch Verhandlung vom 10.6.2016 bis 11.7.2016

Ablaufhemmung nach § 211 BGB bis zum 1.12.2016 (24 Uhr)

aber: Wirkung der Hemmung nach §§ 203, 209 BGB: 10.6.2016 bis 11.7.2016 wird nicht eingerechnet

Addition des Hemmungszeitraum (32 Tage): Verjährung am 1.2.2017

[37] BGH v. 8.12.2011 – V ZR 110/11, BeckRS 2012, 01025.
[38] BGH v. 20.2.2001 – VI ZR 179/00, NJW 2001, 1723 ff.; MüKo-BGB/Grothe, § 203 Rn 5.
[39] Vgl. Mansel/Budzikiewicz, in: Heidel/Hüßtege/Mansel/Noack, BGB, § 203 Rn 59.
[40] MüKo-BGB/Grothe, § 199 Rn 27.

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