Rz. 187

Ist eine umfassende Klärung der Rechtmäßigkeit von Kündigungen durch einen Interessenausgleich nicht möglich, so kann der Insolvenzverwalter die soziale Rechtfertigung der geplanten Entlassungen in einem besonderen Beschlussverfahren durch das Arbeitsgericht feststellen lassen.[169] In den in § 126 Abs. 1 S. 1 InsO geregelten Fällen kann der Insolvenzverwalter beim Arbeitsgericht eine Feststellung beantragen, dass die Kündigung bestimmter, namentlich genannter Arbeitnehmer durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt und sozial gerechtfertigt ist.

 

Rz. 188

Die Vorschrift ergänzt somit die Regelung des § 125 InsO. Kommt also ein entsprechender Interessenausgleich zwischen dem Betriebsrat und Insolvenzverwalter nicht zustande,

weil kein Betriebsrat vorhanden ist oder
weil keine Einigung zwischen Betriebsrat und Insolvenzverwalter erzielt wird,

kann der Insolvenzverwalter beim Arbeitsgericht gem. § 126 InsO die Feststellung beantragen, dass die Kündigung der Arbeitsverhältnisse bestimmter, im Antrag genau bezeichneter Arbeitnehmer durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt und sozial gerechtfertigt ist.[170]

 

Rz. 189

Das Beschlussverfahren nach § 126 InsO ist auch dann (noch) zulässig, wenn die Kündigung der im Antrag bezeichneten Arbeitnehmer schon zuvor erfolgt ist[171] oder wenn nach einem Interessenausgleich nach § 125 InsO wegen einer weiteren Betriebsänderung ein Interessenausgleich nicht zustande kommt.[172]

 

Rz. 190

Ist für die gekündigten Arbeitnehmer die dreiwöchige Klagefrist abgelaufen, ohne dass eine Kündigungsschutzklage erhoben wurde, besteht für die Durch- oder Fortführung des Verfahrens nach § 126 InsO jedoch kein Rechtsschutzinteresse mehr.[173]

 

Rz. 191

Die Sozialauswahl kann vom Arbeitsgericht gem. § 126 Abs. 1 S. 2 InsO nur noch im Hinblick auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter und die Unterhaltspflichten nachgeprüft werden.[174]

 

Rz. 192

 

Hinweis

Anders als im Verfahren nach § 125 InsO erfolgt hier jedoch keine Beweislastumkehr bzw. keine Einschränkung der Prüfungskompetenz, so dass das Arbeitsgericht uneingeschränkt die Wirksamkeit der Kündigungen überprüft. Die Überprüfung der Sozialauswahl ist jedoch wiederum wie bei § 125 InsO auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter und die Unterhaltspflichten beschränkt. Eine Einschränkung der gerichtlichen Überprüfung auf grobe Fehlerhaftigkeit wie in § 125 InsO ist allerdings nicht vorgesehen.

 

Rz. 193

 

Hinweis

Beachtet werden muss aber auch hier, dass die Erstellung und Unterzeichnung einer Namensliste der zu kündigenden Arbeitnehmer im Rahmen eines Beschlussverfahrens gem. § 126 InsO nicht die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrates gem. § 102 BetrVG ersetzt.[175] Ob zuvor der Betriebsrat gem. § 102 BetrVG angehört werden muss, ist zwar in der Literatur streitig.[176] Das BAG hat aber zur Regelung des § 1 Abs. 5 KSchG in der bis zum 31.12.1998 geltenden Fassung entschieden, dass ein Interessenausgleich mit Namensliste nicht die Anforderungen an die Betriebsratsanhörung herabsetzt.[177] Warum im Falle eines Verfahrens nach § 126 InsO etwas anderes gelten sollte, ist nicht nachvollziehbar.

[169] Warrikoff, BB 1994, 2338, 2342; Lakies, BB 1999, 206, 208. Vgl. zur Entstehungsgeschichte Kübler/Prütting/Moll, InsO, § 126 Rn 1.
[170] Dazu umfassend Caspers, S. 100 ff., Rn 229 ff.; Lakies, NZI 2000, 345 ff.; Smid/Weisemann, § 121 Rn 1 ff.
[172] BAG v. 20.1.2000 – 2 ABR 30/99, AP Nr. 1 zu § 126 InsO = BB 2000, 1632.
[174] Zu diesen und den weiteren Neuregelungen des "Arbeitsrechtlichen Beschäftigungsförderungsgesetzes" v. 25.9.1996 (BGBl I, S. 1476 ff.), das in Art. 6 mit Wirkung ab 1.10.1996 die arbeitsrechtlichen Teilregelungen vorzeitig in Kraft gesetzt hat, siehe Lorenz, DB 1996, 1973; Zwanziger, BB 1997, 42 und 626; ZIP-Dokumentation, ZIP 1997, 1722 ff.
[175] So LAG Düsseldorf v. 21.4.1998 – 3 (11) (18) Sa 1968/97, LAGE § 102 BetrVG 1972 Nr. 69 zu § 1 Abs. 5 KSchG; LAG Hamm v. 28.5.1998 – 8 Sa 76/98, ZInsO 1998, 236; ArbG Kiel v. 6.3.1998 – 4 Ca 2458a/97, ZInsO 1998, 237; ArbG Hamburg v. 11.5.1998 – 21 Ca 106/97, ZInsO 1998, 237 zu § 1 Abs. 5 KSchG; Arend, ZInsO 1998, 303, 306; Kohls, ZInsO 1998, 220.
[176] Dazu Zwanziger, BB 1997, 626; Grunsky/Moll, Rn 403 ff.; a.A. Warrikoff, BB 1994, 2338, 2342 f.; offen gelassen in: Frankfurter Komm/Eisenbeis, § 126 Rn 4.
[177] BAG v. 20.5.1999 – 2 AZR 532/98 und 2 AZR 148/99, ZInsO 1999, 601 = ZIP 1999, 1610 und 1647, dazu EWiR 1999, 1135 (Schlachter) und 1999, 1095 (Haertlein).

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