Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsbedingte Kündigung. Betriebsratsanhörung und Sozialauswahl bei Interessenausgleich mit Namensliste

 

Leitsatz (amtlich)

Die Erstellung eines Interessenausgleichs mit Namensliste gem. § 1 Abs. 5 KSchG entbindet den Arbeitgeber weder von der Anhörung des Betriebsrats zu Betriebsbedingtheit und Sozialauswahl gem. § 102 Abs. 1 BetrVG vor Kündigungsausspruch noch werden die Anforderungen an die Informationspflicht herabgesetzt.

 

Normenkette

KSchG § 1; BetrVG §§ 111, 112a

 

Verfahrensgang

ArbG Oberhausen (Urteil vom 01.09.1997; Aktenzeichen 2 Ca 1524/97)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird dasUrteil des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 01.09.1997 – 2 Ca 1524/97 – abgeändert.

2. Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 27.05.1997 beendet worden ist.

3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Der am 30.08.1941 geborene Kläger ist seit dem 11.09.1980 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin zu einem monatlichen Bruttogehalt von 6.100,– DM beschäftigt. Zuvor war er seit dem 01.04.1971 bei der Deutschen B. AG tätig, wo er zum 10.09.1980 durch Eigenkündigung ausschied und zur Firma L. AG überwechselte. Der Kläger ist verheiratet und seiner Ehefrau unterhaltsverpflichtet. Die Beklagte ist ein Unternehmen auf dem Gebiet der Kraftwerkstechnik mit Sitz in O.. Ihr Geschäftsbereich umfaßt den Kraftwerks- und Anlagenbau von der Projektierung bis zur Inbetriebnahme.

Mit Schreiben vom 27.05.1997 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 30.11.1997 unter Hinweis auf einen Interessenausgleich/Sozialplan, ausweislich dessen dem Kläger eine Abfindung in Höhe von 42.000,– DM zustehe.

Mit der am 18.06.1997 bei dem Arbeitsgericht Oberhausen eingegangenen Klage hat sich der Kläger gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewandt und die Betriebsbedingtheit der Kündigung in Abrede gestellt. Die Kündigung verstoße zum einen gegen das Kündigungsverbot des § 20 Nr. 4 MTV-Metall NW, da eine Betriebsänderung nicht vorliege. Zudem habe eine Sozialauswahl nicht stattgefunden. Der Kläger sei auch nicht nur als Isolierinspektor, sondern umfassender, unter anderem als Bauleiter, Hauptmonteur, Schweißfachmann sowie Meß- und Regeltechniker einsetzbar. Der Kläger hat eine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung in Abrede gestellt.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 27.05.1997 nicht beendet worden ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, das Kraftwerksgeschäft in Deutschland sei vor allem in den letzten Jahren stark rückläufig gewesen, wodurch sie gezwungen sei, zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit Kosten einzusparen und in diesem Zusammenhang auch Personal zu reduzieren. Zukünftig werde mehr als 70 % des Gesamtvolumens im Ausland erzielt, während das Inlandsgeschäft immer weiter zurückgehen werde. Man habe sich daher entschlossen, die Mitarbeiterzahl von ca. 2.500 in einer ersten Welle um insgesamt 180, in einer zweiten Welle um weitere 200 Arbeitnehmer zu reduzieren. Aus diesem Grunde sei es am 20.02.1997 sowie am 26.05.1997 jeweils zum Abschluß eines Interessenausgleichs und Sozialplans gekommen, wobei in etwa 330 Fällen eine Namensliste der betroffenen Arbeitnehmer – darunter auch der Kläger – verabschiedet worden sei, welche als Teil des Interessenausgleichs/Sozialplans i.S. von § 1 Abs. 5 S. 1 KSchG anzusehen seien. Die Darlegungs- und Beweislast für die fehlende Betriebsbedingtheit der Kündigung sowie die grobe Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl obliege nunmehr dem Kläger.

§ 20 Ziff. 4 MTV-Metall NW sei nicht einschlägig, da eine Betriebsänderung gegeben und daher eine ordentliche Kündigung gerade nicht ausgeschlossen sei. Der Betriebsrat sei aus den Verhandlungen über den Interessenausgleich und die Erstellung der Namensliste über die betrieblichen Gründe wie auch die Sozialindikatoren sowie vergleichbaren Arbeitnehmer unterrichtet gewesen und ordnungsgemäß vor Ausspruch der Kündigung angehört worden.

Durch Urteil vom 01.09.1997, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe ergänzend Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht Oberhausen die Klage abgewiesen und die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger auferlegt. Den Streitwert hat das Gericht auf 21.100,– DM festgesetzt. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, die Kündigungen seien aus betriebsbedingten Gründen ausgesprochen worden und daher sozial gerechtfertigt. Nachdem die Voraussetzungen des § 1 Abs. 5 S. 1 KSchG aufgrund einer Betriebsänderung im Wege der Personalreduzierung i.S. von § 111 BetrVG gegeben seien, habe der Kläger die gesetzliche Vermutung i.S. des § 292 ZPO nicht zu widerlegen vermocht. Auch für eine grobe Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl sei nichts ersichtlich. In Anlehnung an § 44 Abs. 1 VerwVG sei...

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