Rz. 149

Die Vorschrift des § 87 BetrVG ist insofern zwingend, als die notwendige Mitbestimmung des Betriebsrats in sozialen Angelegenheiten weder durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung, Betriebsabsprache noch Arbeitsvertrag aufgehoben oder eingeschränkt werden kann.[455] Auch kann der Betriebsrat nicht auf die Ausübung seines Mitbestimmungsrechts gänzlich verzichten oder seine Mitwirkungsbefugnisse nach § 87 BetrVG auf den Arbeitgeber übertragen.[456] Gleichwohl können sich Einschränkungen insoweit ergeben, als ein Tarifvertrag Regelungen enthalten kann, die das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats inhaltlich begrenzen (zu den Grenzen der Mitbestimmung vgl. unten Rdn 151 ff.).

 

Rz. 150

Das Gesetz lässt die Frage, ob sich die notwendige Mitbestimmung über die in § 87 Abs. 1 BetrVG genannten Angelegenheiten hinaus erweitern lässt, unbeantwortet. Unbedenklich ist dies zu bejahen, wenn in einem Tarifvertrag oder in einer freiwilligen Betriebsvereinbarung nach § 88 BetrVG eine Angelegenheit geregelt und nur die Ausübung eines dem Arbeitgeber zustehenden Rechts an die Zustimmung des Betriebsrats geknüpft wird, ohne dass ein neuer Regelungsgegenstand geschaffen wird.[457] Auch wird eine erweiterte Mitbestimmung durch Tarifvertrag überwiegend für zulässig erachtet, sofern es sich um einen Betrieb handelt, dessen Arbeitgeber tarifgebunden ist.[458] Ob die Betriebsparteien darüber hinaus legitimiert sind, auch eine inhaltliche Erweiterung der Mitbestimmung durch Betriebsvereinbarung vorzunehmen, wird weiterhin sehr uneinheitlich beurteilt.[459]

[455] GK-BetrVG/Wiese, § 87 Rn 8.
[456] BAG 26.4.2005 – 1 AZR 76/04, NZA 2005, 892; BAG 29.1.2008 – 3 AZR 43/06, NZA-RR 2008, 469; Fitting u.a., § 87 BetrVG Rn 3; differenzierend Joussen, RdA 2005, 31.
[457] GK-BetrVG/Wiese, § 87 Rn 5.
[458] BAG 23.2.2010 – 1 ABR 65/08, AP Nr. 100 zu § 77 BetrVG 172; BAG 18.8.1987, AP Nr. 23 zu § 87 BetrVG 1972; Fitting u.a., § 87 BetrVG Rn 6; ErfK/Kania, § 87 BetrVG Rn 139.
[459] Vgl. hierzu exemplarisch DKKW/Klebe, § 87 Rn 45 ff. sowie andererseits Stege/Weinspach/Schiefer, § 87 BetrVG Rn 5 ff. Umfangreiche Nachweise bei GK-BetrVG/Wiese, § 87 Rn 7 f., der die Befugnis zur Erweiterung der Mitbestimmung jedenfalls nicht schrankenlos gewährleistet sieht.

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