Rz. 460

Soweit es das Wohl des Kindes gem. § 1697a BGB erfordert, sind Beschränkungen des Umgangs zu prüfen.[557] Umgang dient grundsätzlich dem Wohl des Kindes. Er kann deshalb nur bei ernsthaften Gefahren für das Kindeswohl ausgesetzt bzw. ausgeschlossen werden.[558]

Als geringerer Eingriff nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist zuvor der Umgang mit Hilfe eines "mitwirkungsbereiten Dritten" (§ 1684 Abs. 4 S. 2 BGB) zu prüfen.[559] Dritter kann auch ein zu bestellender Verfahrenspfleger sein.[560]

 

Rz. 461

Der vollständige Ausschluss des Umgangs kommt dagegen nur in begründeten Ausnahmefällen und in der Regel auch nur befristet in Betracht.[561] "Befristet" bedeutet, dass die Aussetzung des Umgangs eine feste zeitliche Begrenzung enthalten muss und möglichst nur auf kurze Zeit angeordnet werden soll.[562]

 

Rz. 462

Das Bundesverfassungsgericht dazu, dass eine Einschränkung oder ein Ausschluss des Umgangsrechts ist nur veranlasst, wenn nach den Umständen des Einzelfalls der Schutz des Kindes dies erfordert, um eine Gefährdung seiner seelischen oder körperlichen Entwicklung abzuwehren.[563]

 

Rz. 463

Allerdings haben sich trotz der Frage des Einzelfalles Fallgruppen zur Frage der Einschränkung/des Ausschlusses des Umgangs herausgebildet, die wie folgt zusammengefasst werden können.

Nicht ausreichende Gründe:

niedriges Alter des Kindes,[564]
langwährende Entfremdung,[565]
Fortdauer der Streitigkeiten/Verfeindung der Eltern,[566]
Ablehnung des Umgangs durch den betreuenden Elternteil,[567]
Verursachung von Loyalitätskonflikten durch den betreuenden Elternteil,[568]
Integrationsphase nach Inpflegenahme des Kindes,[569]
Zugehörigkeit zu einer Glaubensgemeinschaft,[570]
Vorstrafen des umgangsberechtigten Elternteils,[571]
Inhaftierung des umgangsberechtigten Elternteils,[572]
Ausübung der Prostitution durch den umgangsberechtigten Elternteil,[573]
eine mit der ausländischen Staatsangehörigkeit begründeten Entführungsgefahr,[574]
Verzug mit Unterhaltsleistungen.[575]

Ausreichende Gründe:

konkrete Entführungsgefahr,[576]
erhebliche Misshandlungen des Kindes durch den umgangsberechtigten Elternteil,[577]
erhebliche Suchterkrankungen, die zu einer konkreten Gefährdung des Kindes führen,[578]
fortgesetzte negative Beeinflussung des Kindes gegen den Sorgeberechtigten,[579]
nachgewiesener sexueller Missbrauch des Kindes durch den umgangsberechtigten Elternteil,[580]
Gefahr des sexuellen Missbrauchs durch den Umgangsberechtigten oder Dritte während des Umgangs,[581]
nachhaltige Ablehnung des Umgangs durch das Kind, welche nicht ohne Gefährdung des Kindeswohls überwunden werden kann.[582]
[557] Vgl. dazu ausführlich Horndasch, ZFE 2008, 369.
[558] OLG Jena FuR 2000, 121; OLG Brandenburg FamRZ 2002, 414, 415.
[559] OLG Brandenburg FuR 1999, 245; OLG Köln FuR 2000, 238.
[561] OLG Schleswig FamRZ 2000, 48; OLG Hamm FamRZ 2000, 1108; OLG München FamRZ 2003, 551; BVerfG FamRZ 2005, 1057; Büte, FK 2005, 152.
[563] BVerfG FamRZ 1971, 421.
[564] OLG Brandenburg FamRZ 2002, 414; OLG Hamm, FamRZ 1994, 58; Splitt, Einschränkungen und Ausschluss des Umgangs, FF 2016, 146, 147.
[566] OLG Saarbrücken FamRZ 2007, 495; OLG Bamberg FamRZ 1998, 969.
[567] BVerfG FamRZ 2004, 1166; OLG Hamm FamRZ 2003, 951.
[570] AG Düren FamRZ 2004, 971; anders bei aggressivem Ausleben einer bestimmten Weltanschauung, vgl. BVerfG FamRZ 2013, 433; OLG Köln FamRZ 2013, 1237.
[571] Staudinger/Rauscher, BGB, § 1684 Rn 327.
[572] OLG Hamm FamRZ 2003, 951.
[573] Splitt, FF 2016, 146, 147.
[574] BVerfG FamRZ 2010, 109; OLG Hamm FamRZ 2002, 1585.
[575] Staudinger/Rauscher, BGB, § 1684 Rn 350.
[576] OLG Karlsruhe FamRZ 2019,2009; OLG Koblenz FamRZ 2009, 133; OLG Celle FamRZ 1996, 364.
[577] Johannsen/Henrich, Familienrecht, § 1684 Rn 36.
[578] OLG Koblenz FamRZ 2007, 926; KG FamRZ 2002, 412.
[581] BVerfG FamRZ 2021, 1531: Umgang der Mutter nur in Abwesenheit des pädophilen Ehemannes; OLG Hamm FamRZ 2015, 1732; Grüneberg/Götz, § 1684 Rn 29.
[582] Splitt, FF 2016, 146, 147 f.

1. Der begleitete Umgang

 

Rz. 464

Begleiteter Umgang gem. § 1684 Abs. 4 S. 2 BGB stellt eine erhebliche Belastung und Beeinträchtigung für den umgangsberechtigten Elternteil ebenso wie, in geringerem Maße, auch für das Kind dar und ist deshalb bereits auf "schwerwiegende Fälle"[583] zu beschränken.[584]

 

Rz. 465

Grundsätzlich sind vier Formen des begleiteten Umgangs je nach zugrunde liegender Konfliktlage zu unterscheiden:

Betreute Umgangsanbahnung: Sie dient dazu, bei lange unterbrochenem Kontakt zwischen Kind und Umgangsberechtigtem diesen wiederherzustellen oder gar erstmals anzubahnen.[585]
Betreute Übergabe: Diese stellt ein sinnvolles Mittel in Übergabesituationen dar, in denen es zu eskalierendem Streit und dadurch bedingten ps...

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