Rz. 690

Die Bedarfssätze der 4. Altersstufe der Düsseldorfer Tabelle als Pauschalbedarf für volljährige Schüler, Auszubildende und Studenten decken – nur – den allgemeinen Lebensbedarf einschließlich der Wohnkosten ab.

aa) Mehrbedarf

 

Rz. 691

Der Mehrbedarf erfasst regelmäßig und über einen längeren Zeitraum anfallende Bedarfspositionen, die im allgemeinen Lebensbedarf nicht enthalten sind.[895] Der allgemeine Lebensbedarf enthält die Beiträge zur (privaten) Krank- und Pflegeversicherung nicht,[896] daher erhöhen diese Beiträge als Mehrbedarf den allgemeinen Lebensbedarf.[897]

 

Rz. 692

Gleiches gilt für Studiengebühren. Auch diese sind nicht in den Bedarfssätzen der Düsseldorfer Tabelle enthalten[898] und stellen daher Mehrbedarf dar.[899]

 

Rz. 693

 

Praxistipp

Allerdings erhöhen die Studiengebühren den zu deckenden Bedarf nicht, wenn ein Student gehalten ist, zunächst staatliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Dies ist der Fall, wenn er die Möglichkeit hat, die Studiengebühren als zinsfreies Darlehen zu erhalten.[900]

 

Rz. 694

U.a. können Kosten für ein Auslandsstudium[901] oder Kosten für die Ausbildung an sich (z.B. Studium der Zahnmedizin) Mehrbedarf verursachen. Auch die Kosten für den Besuch eines Internats oder einer Privatschule sind als Mehrbedarf zu bewerten, da die Entscheidung für den Schulbesuch in der Regel durch die Eltern vor Volljährigkeit des Kindes getroffen worden ist und sie sich auch nach Eintritt der Volljährigkeit des Kindes an dieser Entscheidung festhalten lassen müssen.[902] Etwas anderes gilt, wenn der alleine sorgeberechtigte Elternteil diese Entscheidung getroffen hat. Eine Bindung des anderen Elternteils für die Zeit ab Volljährigkeit tritt damit nicht ein.[903]

 

Rz. 695

 

Praxistipp

Aufgrund des Rücksichtnahmegebots obliegt es dem volljährigen Kind, grundsätzlich die Kosten des Mehrbedarfs möglichst gering zu halten. Allerdings kann von ihm nicht erwartet werden, zur Deckung des Mehrbedarfs eine Nebentätigkeit aufzunehmen oder eine bestehende auszuweiten.

 

Rz. 696

Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ist Maßstab bei der Beurteilung, ob der anfallende Mehrbedarf zumutbar und erstattungsfähig ist.

 

Rz. 697

 

Praxistipp

Monatliche Kosten in Höhe von 2.000 EUR für ein Auslandsstudium sind bei einem Einkommen in Höhe von 5.000 EUR monatlich nicht zumutbar,[904] auch wenn sie nur für einen absehbaren Zeitraum anfallen.[905]

 

Rz. 698

Mehrbedarf kann insbesondere auch infolge Behinderung entstehen.[906] Macht das Kind Mehrbedarf geltend, muss es konkret darlegen und nachweisen, worin dieser Mehrbedarf besteht, und warum er unterhaltsrechtlich berechtigt ist. Die zusätzlichen Aufwendungen sind für den in Betracht kommenden Zeitraum detailliert und nachvollziehbar aufzuschlüsseln, da neben dem allgemeinen Lebensbedarf des volljährigen Kindes dessen Pflegebedarf und der behinderungsbedingte Mehrbedarf zu ermitteln ist.[907]

 

Rz. 699

 

Praxistipp

Der behinderungsbedingte Mehrbedarf kann sich aus Fahrtkosten, Kosten für Medikamente, der Selbstbeteiligung für ein medizinisches Gerät, Bekleidungskosten usw. ergeben.[908] Allerdings ist zu prüfen, ob und bejahendenfalls in welcher Höhe die Krankenversicherung und/oder der Sozialträger diese Kosten übernimmt.

 

Rz. 700

Auch die dem Betreuer eines unter Betreuung gestellten volljährigen Kindes geschuldete Vergütung ist Mehrbedarf,[909] da im Hinblick auf zu erwartende langjährige Tätigkeit eines Betreuers diese Vergütungen regelmäßig und über einen längeren Zeitraum hinweg geschuldet werden, sodass die Behandlung als Sonderbedarf ausscheidet.[910]

[896] DT 2023 Anm. A 9.
[897] BGH FamRZ 2005, 1817 = FuR 2005, 555.
[898] DT 2023 Anm. A 9.
[899] Eschenbruch/Schwonberg, Kap. 2 Rn 706 m.w.N.
[900] OLG Celle, Beschl. v. 17.9.2012 – 19 UF 160/12.
[901] BGH FamRZ 1992, 1065.
[902] Eschenbruch/Schwonberg, Kap. 2 Rn 712.
[903] BGH FamRZ 1983, 48.
[905] Dose/Klinkhammer, § 2 Rn 532.
[906] BGH FamRZ 1985, 917.
[908] Eschenbruch/Schwonberg, Kap. 2 Rn 707.
[909] Dose/Klinkhammer, § 2 Rn 534.

bb) Sonderbedarf

 

Rz. 701

Der Begriff des Sonderbedarfs ist legaldefiniert in § 1613 Abs. 2 Nr. 1. Danach handelt es sich bei Sonderbedarf um nicht regelmäßig anfallenden, sog. außerordentlichen Bedarf.

 

Rz. 702

Sowohl Sonder- als auch Mehrbedarf stellt eine Art des Zusatzbedarfs neben dem allgemeinen Lebensbedarf (Elementarbedarf) des Unterhaltsberechtigten dar. Daher ist es erforderlich, die beiden Arten des Zusatzbedarfs voneinander abzugrenzen. Sonderbedarf nach der Legaldefinition des § 1613 Abs. 2 hingegen ist ein unregelmäßiger, außergewöhnlich hoher Bedarf, der nur dann gegeben ist, wenn der zusätzliche Bedarf überraschend, in der Höhe nicht abschätzbar und nicht mit einiger Wahrscheinlichkeit voraussehbar war und deshalb bei der Bedarfsplanung und bei der Bemessung der laufenden Unterhaltsrente – auch als Mehrbedarf – nicht berücksichtigt werden konnte.[911]

 

Rz. 703

Sonderbedarf als Zusatzbedarf kann als eigenständiger Be...

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