Rz. 69

Ausschlussfristen können grds. auch in Formulararbeitsverträgen vereinbart werden.[56] Seit dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz vom 1.1.2002 unterliegen Ausschlussfristen in vorformulierten Arbeitsverträgen einer Inhaltskontrolle nach den Maßstäben des AGB-Rechts.[57] Bei der Regelung von Ausschlussfristen im Arbeitsvertrag werden diese Vertragsinhalt, wenn sie keine überraschende Klausel darstellen. Überraschend sind Vertragsklauseln dann, wenn sie so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders nicht mit ihnen zu rechnen braucht, es muss ihnen ein "Überrumpelungs- oder Übertölpelungseffekt" innewohnen.[58] Einzelvertragliche Ausschlussfristen, die nur Ansprüche des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber erfassen, sind gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam, wenn nicht ausnahmsweise ein Ausgleich für den Arbeitnehmer durch andere Vorteile erfolgt.[59] Weiterhin werden sie nur Vertragsinhalt, wenn sie in dem schriftlichen Arbeitsvertrag mit einem besonderen Hinweis und technischer Hervorhebung unter richtiger Überschrift eingeordnet sind.[60]

 

Rz. 70

Des Weiteren muss beachtet werden, dass eine vertragliche Ausschlussfrist von weniger als drei Monaten für die erstmalige Geltendmachung des Anspruchs unangemessen kurz ist.[61] Eine solche Frist hält einer AGB-Kontrolle nicht stand und ist unwirksam, es erfolgt keine Anpassung der Frist durch Auslegung (keine geltungserhaltende Reduktion bei AGB).

 

Rz. 71

Eine Klausel, die für den Beginn der Ausschlussfrist nicht die Fälligkeit der Ansprüche berücksichtigt, sondern allein auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses abstellt, benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen und ist deshalb gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam.[62]

 

Rz. 72

Ein Arbeitnehmer wahrt mit Erhebung einer Kündigungsschutzklage nicht nur die erste Stufe (schriftliche Geltendmachung) einer einzelvertraglich vereinbarten Ausschlussfrist, sondern auch die zweite Stufe (Klage) für alle Einzelansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn die einschlägige Klausel von einem nicht rechtskundigen Durchschnittsarbeitnehmer nicht so verstanden werden kann, dass nur die Erhebung einer bezifferten Leistungsklage diesem Erfordernis genügt, sie vielmehr so verstanden werden darf, dass jede prozessuale Auseinandersetzung über den Anspruch seine Obliegenheit erfüllt.[63]

 

Rz. 73

 

Praxistipp

Dies kann eine Arbeitserleichterung für den Anwalt darstellen, da die Erhebung einer Kündigungsschutzklage demnach eine ausreichende Geltendmachung auch von Lohnansprüchen darstellt und dadurch Ansprüche auf Annahmeverzugslohn gewahrt werden. Aufgrund der bereits oben in der einleitenden Übersicht zu den Ausschlussfristen dargestellten Gründen ist das Judikat des BAG vom 19.3.2008, das speziell zu einer einzelvertraglich vereinbarten Ausschlussregelung erging und gerade auch auf die durch die BAG-Rechtsprechung verursachten Auslegungszweifel gestützt wurde,[64] keinesfalls verallgemeinerungsfähig, weshalb im Zweifel den schon oben unter Rdn 65 ausgesprochenen Empfehlungen gefolgt werden sollte.

 

Rz. 74

Hält die erste Stufe einer vertraglichen Ausschlussfristenregelung, wonach mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehende Ansprüche binnen drei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden müssen, der AGB-Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB stand, beeinträchtigt die Unwirksamkeit der zweiten Stufe, die eine zu kurze Frist für die gerichtliche Geltendmachung vorsieht, die Wirksamkeit der ersten Stufe nicht, wenn die Klausel teilbar ist und auch ohne die unwirksame Regelung weiterhin verständlich und sinnvoll bleibt ("Blue-Pencil-Test").[65]

[57] Preis/Roloff, RdA 2005, 144.
[58] BAG, Urt. v. 29.11.1995 – 5 AZR 447/94 m.w.N = BB 1997, 908 = NJW 1996, 2117.
[61] BAG, Urt. v. 28.9.2005 – 5 AZR 52/05 = AP BGB § 307 Nr. 7 = NJW 2006, 795; daraus folgend muss sich aber der Verwender unwirksamer Ausschlussklauseln an diesen festhalten lassen und kann sich nicht auf deren Unwirksamkeit berufen, näher dazu: LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 22.7.2011 – 6 Sa 487/10 = BeckRS 2011, 76467.
[63] BAG, Urt. v. 19.3.2008 – 5 AZR 429/07 – Rn 26 ff., jurion = BAGE 126, 198 = DB 2008, 1975 = MDR 2008, 979 = ZIP 2008, 1246.
[64] BAG, Urt. v. 19.3.2008 – 5 AZR 429/07 – Rn 29, jurion = BAGE 126, 198 = DB 2008, 1975 = MDR 2008, 979 = ZIP 2008, 1246: "Etwaige, gegebenenfalls auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu zweistufigen Ausschlussfristen in Tarifverträgen zurückgehende Auslegungszweifel (vgl. hierzu BAG, Urt. v. 26.4.2006 – 5 AZR 403/05, BAGE 118, 60, 62 f.; Krause, RdA 2004, 106, 115 ff. m. umfangreichen Nachw.) gingen nach der Unklarheitenregel (§ 305c Abs. 2 BGB) zu Lasten der Beklagten."

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