Rz. 29

Grundsätzlich kann der Vorerbe über die zum Nachlass gehörenden Gegenstände verfügen. Allerdings sind hierbei die Vorschriften der §§ 2112 bis 2115 BGB zu berücksichtigen, die den Vorerben in seiner Verfügungsfreiheit erheblich einschränken. Die Verfügungen des Vorerben werden unwirksam, wenn bei Eintritt des Nacherbfalls das Recht des Nacherben vereitelt oder beeinträchtigt ist. Es kommt hierbei nicht darauf an, ob der Vorerbe ein Entgelt für die Verfügung erhalten hat. Entscheidend ist einzig und allein die rechtliche und nicht die wirtschaftliche Betrachtungsweise.[36] Es entscheidet sich allerdings erst bei Eintritt des Nacherbfalls, ob die Verfügung unwirksam wird und der Nacherbe sich auf diese Unwirksamkeit berufen kann.[37] Die Unwirksamkeit wirkt automatisch für und gegen jedermann. Dies führt jedoch nicht zur Annahme der Nichtigkeit. Es ist daher eine nachträgliche Genehmigung durch den Nacherben möglich.[38]

 

Rz. 30

Nach § 2113 Abs. 1 BGB ist die Verfügung des Vorerben über ein zur Erbschaft gehörendes Grundstück oder Recht an einem Grundstück nach Eintritt der Nacherbfolge insoweit unwirksam, als dadurch das Recht des Nacherben vereitelt oder beeinträchtigt wird. Hierunter fallen alle dinglich wirkenden Übertragungen, Belastungen, Inhaltsänderungen und die Aufgabe eines Grundstücksrechts, ferner die Bewilligung einer Vormerkung, die Erbbaurechtsbestellung sowie Rangrücktritt von Grundpfandrechten.[39] Vom Erwerber eines vom Vorerben erworbenen Grundstückes kann der Nacherbe die Berichtigungsbewilligung nach § 894 BGB verlangen. Der Nacherbenvermerk im Grundbuch bewirkt keine Grundbuchsperre.

 

Rz. 31

Hiervon gibt es allerdings zwei Ausnahmen:

Ist das der Vor- und Nacherbschaft unterliegende Nachlassvermögen bspw. in einer Erbengemeinschaft gesamthänderisch gebunden, so kann der Vorerbe die Auseinandersetzung nach § 2042 BGB betreiben.[40] Der Zustimmung des Nacherben bedarf es hierzu nicht. Dies hat weiter zur Folge, dass bei solchen Grundstücken ein Nacherbenvermerk nicht eingetragen wird (§ 51 GBO).[41] Geschieht dies dennoch, ist das Grundbuch unrichtig.[42] Dies gilt unabhängig davon, ob dem Vorerben bereits der oder die anderen Anteil(e) an demselben Grundstück gehört/gehören oder der oder die weiteren Grundstücksanteil(e) in dritter Hand ist/sind.[43] Der Erlös aus der Auseinandersetzung ist Surrogat gem. § 2111 BGB.

Nach § 2113 BGB sind dem Vorerben unentgeltliche Verfügungen nicht gestattet, ausgenommen sind Pflicht- und Anstandsschenkungen.[44]

 

Rz. 32

Ebenso wenig ist die Zustimmung des Nacherben erforderlich bei der Kündigung und Einziehung des Kapitals bei Grundpfandrechten (§ 2114 BGB). Das Einziehungsrecht besteht jedoch nur eingeschränkt. Das durch den Vorerben eingezogene Kapital muss für den Vor- und Nacherben zur gemeinsamen Verfügung hinterlegt werden. Die Auszahlung direkt an den Vorerben kann nur dann erfolgen, wenn dieser die Einwilligung des Nacherben nachweisen kann.[45]

[36] Brox/Walker, Erbrecht, Rn 362.
[37] Ausführlich zu "dauerhaft wirksamen Immobilienverfügungen" des Vorerben: Wegmann, ZEV 2022, 433 ff. und 500 ff.
[38] Mehrle, in: Bonefeld/Wachter, Fachanwalt Erbrecht, § 4 Rn 30.
[39] Mehrle, in: Bonefeld/Wachter, Fachanwalt Erbrecht, § 4 Rn 31.
[41] BeckOK GBO/Zeiser, § 51 Rn 16; OLG Stuttgart ZErb 2006, 389, 399.
[42] BayObLGZ 1994, 177.
[44] Schulte, Testamentsgestaltung, Rn 210.
[45] BeckOK BGB/Litzenburger, § 2114 Rn 4.

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