Rz. 131

Tritt die Nacherbfolge vor dem Tod des Vorerben ein, z.B. Eintritt der Nacherbfolge bei Wiederverheiratung des Vorerben oder bei Erreichen eines bestimmten Lebensalters des Nacherben, so ist die Vorerbfolge ein auflösend bedingter, die Nacherbfolge ein aufschiebend bedingter Erbanfall (§ 6 Abs. 3 ErbStG). Insoweit folgt also das Erbschaftsteuerrecht der zivilrechtlichen Regelung über die Vorerbschaft und Nacherbschaft; der Nacherbe hat seinen Erwerb gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zu versteuern.

Auch in dieser Konstellation hat der Vorerbe zunächst die volle Erbschaftsteuer zu bezahlen. Um jedoch zu vermeiden, dass im Falle der Nacherbfolge erneut die gesamte Steuer entrichtet werden muss, ist dem Nacherben die vom Vorerben entrichtete Steuer abzüglich desjenigen Betrages, welcher der tatsächlichen Bereicherung des Vorerben entspricht, anzurechnen. Eine Erstattung seitens des Vorerben gezahlter Erbschaftsteuer an den Nacherben findet nicht statt.[199]

Bei § 6 Abs. 3 ErbStG ist der Besteuerung stets das Verhältnis des Nacherben zum Erblasser zugrunde zu legen, da das Nacherbschaftsvermögen nur vom Erblasser stammen kann. Ein Wahlrecht (entsprechend § 6 Abs. 2 S. 2 ErbStG) ist in § 6 Abs. 3 ErbStG auch in den Fällen nicht vorgesehen, in denen Nacherbschaftsvermögen und Eigenvermögen des Vorerben einen einheitlichen oder zeitgleichen Erwerb bilden.[200] Steuerlich gesehen liegen also zwei Erbfälle vor, die jeweils nach dem persönlichen Verhältnis des Erwerbers zum Erblasser und zum Vorerben abzuwickeln sind. Hieraus ergibt sich, dass sich die Zusammenrechnung nach § 14 ErbStG nur auf Vorschenkungen des Erblassers und das Nacherbschaftsvermögen und nicht etwa auf Eigenvermögen des Vorerben beziehen kann. Außerdem führt die Vorschrift des § 6 Abs. 3 ErbStG zum Ausschluss von § 27 ErbStG, der eine Steuerermäßigung bei mehrfachem Erwerb desselben Vermögens vorsieht. Das Vorerbschaftsvermögen wird wegen der Anrechnung der vom Vorerben gezahlten Steuer beim Nacherbenerwerb nicht mehrfach mit Erbschaftsteuer belastet.[201]

 

Rz. 132

Wie der BFH zutreffend dargelegt hat, ist § 6 Abs. 3 S. 2 ErbStG lediglich eine Vorschrift für die Berechnung der vom Nacherben geschuldeten Steuer.[202] Aus der Norm ergibt sich kein außerhalb der Besteuerung des Nacherben liegender Anspruch auf Anrechnung der Steuer des Vorerben. § 6 Abs. 3 ErbStG ist eine Sonderregelung, ohne die beim Eintritt der Nacherbfolge eine Berichtigung der Erbschaftsteuerveranlagung erfolgen müsste. Zu viel erhobene Erbschaftsteuer müsste erstattet werden. Durch § 6 Abs. 3 ErbStG wird die vom Vorerben bezahlte Erbschaftsteuer aber auf die vom Nacherben zu entrichtende Steuer lediglich angerechnet. Eine Erstattung kommt auch dann nicht in Betracht, wenn der anrechenbare Betrag der Steuer des Vorerben die vom Nacherben zu entrichtende Steuer übersteigt.

 

Beispiel

Der geschiedene Vater A setzt seinen Sohn B aus der geschiedenen Ehe als Vorerben und dessen Tochter C als Nacherbin ein. Der Nacherbfall soll mit Eheschließung der C eintreten. Der Steuerwert des Nachlassvermögens beträgt 4 Millionen EUR. Der Erwerb des B erfolgt nach Steuerklasse I bei einem Freibetrag in Höhe von 400.000 EUR unter dem Steuersatz von 19 %. Der Erbschaftsteuerbetrag hierauf beträgt 684.000 EUR und wird durch den B aus dem Vorerbschaftsvermögen entrichtet (4.000.000 EUR – 400.000 EUR = 3.600.000 EUR, hieraus 19 % = 684.000 EUR). Bis zum Eintritt des Nacherbfalls verbraucht B sämtliche Erträge aus dem Vorerbschaftsvermögen in Höhe von 950.000 EUR, so dass das auf C übergehende Nacherbschaftsvermögen 3.316.000 EUR beträgt (4.000.000 EUR – 684.000 EUR = 3.316.000 EUR). Bei ebenfalls Steuerklasse I, einem Freibetrag von 200.000 EUR und einem Steuersatz von 19 % errechnet sich hierauf ein Erbschaftsteuerbetrag in Höhe von 592.040 EUR. Die tatsächliche Bereicherung des B im Sinne der Vorschrift des § 6 Abs. 3 ErbStG beträgt 950.000 EUR und mindert sich um den dem B zustehenden Freibetrag von 400.000 EUR auf 550.000 EUR. Hierauf entfällt eine Steuer in Höhe von 19 %, mithin von 104.500 EUR.

Die Steuerschuld der C ist nunmehr endgültig wie folgt zu berechnen:

 
Steuer für Erwerb des Nacherbschaftsvermögens durch C: 592.040 EUR
Durch B als Vorerben zu entrichtende Steuer 684.000 EUR
Abzüglich Steuer auf endgültige Bereicherung des B: 104.500 EUR
Anrechenbare Steuer 579.500 EUR
[199] Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk/Gottschalk, § 6 Rn 118.
[200] Meincke/Hannes/Holtz, ErbstG, § 6 Rn 18.
[201] Kapp/Ebeling, § 6 Rn 36.
[202] BFH BStBl II 1972, 765.

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