Rz. 49

Die Anfechtung eines Erb- bzw. Pflichtteilverzichts kann nur zu Lebzeiten des Erblassers erfolgen. Nach Versterben des Erblassers ist sie aus Gründen der Rechtssicherheit ausgeschlossen.[73] Es besteht aber ggf. ein schuldrechtlicher Anspruch auf Wertersatz, der als Nachlassverbindlichkeit geltend gemacht werden kann.[74]

 

Rz. 50

Als Anfechtungsgründe kommen die allgemeinen Anfechtungsgründe der §§ 119 ff. BGB in Betracht, ein Motivirrtum i.S.d. § 2078 Abs. 2 BGB ist hier unbeachtlich. Erbrachte Leistungen sind bereicherungsrechtlich rückabzuwickeln.

Eine Anfechtung ist möglich:

bei einem Irrtum über wesentliche wertbildende Faktoren des Vermögens des Erblassers im Zeitpunkt des Abschlusses der Verzichtsvertrages, § 119 Abs. 2 BGB,[75]
bei einer arglistigen Täuschung des Erblassers gegenüber dem Verzichtenden über Umfang und Wert seines Vermögens,[76]
bei arglistiger Täuschung über die Unentgeltlichkeit eines Erb- und Pflichtteilsverzichts, wenn der Erblasser suggeriert, der Verzichtende habe zum Teil schon eine wirkliche Gegenleistung aus seinem Vermögen erhalten bzw. erhalte sie noch. In Wirklichkeit stammt die Gegenleistung aus dem Erbteil der Verzichtenden aus dem Nachlass der vorverstorbenen Mutter.[77]
 

Rz. 51

Stellt sich nach dem Erbfall heraus, dass der vertragliche Zweck nicht erreicht werden kann, kommt die Anpassung des Kausalgeschäfts an die geänderten Verhältnisse entsprechend den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage in Betracht. Eine Rückabwicklung des Verzichtvertrages ist nicht möglich.[78] Es kann dann u.U. auch Nachabfindung gegenüber den Erben verlangt werden. So bspw., wenn erheblich werthaltiges Vermögen im Abfindungsvertrag nicht berücksichtigt wurde und die Abfindung daher nicht angemessen war.[79]

Ein auf unrichtigen Ausgangstatsachen beruhender Erb- und Pflichtteilsverzichtvertrag kann aufgrund einer Gesamtwürdigung sittenwidrig nach § 138 Abs. 1 BGB sein, wenn ein Abfindungsbetrag vereinbart wird, der sich nicht an den tatsächlichen Vermögensverhältnissen des Erblassers orientiert.[80]

In der Literatur ist umstritten, ob die von BVerfG und BGH entwickelte Inhalts- und Ausübungskontrolle von Eheverträgen auf Pflichtteilsverzichtsverträge auszudehnen ist.[81]

[73] BayObLG ZEV 2006, 209 ff. m. krit. Anm. Leipold.
[74] OLG Koblenz NJW-RR 1993, 708 ff.
[75] Staudinger/Schotten, § 2346 Rn 177.
[76] Staudinger/Schotten, § 2346 Rn 175.
[77] OLG Koblenz NJW-RR 1993, 708 ff.
[79] OLG Hamm ZEV 2000, 507 ff.
[80] OLG München ZEV 2006, 313 ff., "Wildmoser"-Urteil.
[81] Dafür: Wachter, ZErb 2004, 238; dagegen: Bengel, ZEV 2006, 192;

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