Rz. 35

Eine Angelegenheit kann also mehrere Gegenstände umfassen, wenn z. B. der Auftrag dahin geht,

Unterhaltsansprüche einer Mutter für sich und für ein minderjähriges Kind zusammen einzufordern, oder
den Schadenersatzanspruch des einen Unfallopfers und den Schmerzensgeldanspruch des anderen Verletzten gegen denselben Täter einzuklagen, oder
in einer Klage eine Kaufpreisforderung und eine Darlehensforderung zusammen geltend zu machen.

In den vorstehenden drei Beispielen ist keine Gebührenerhöhung gemäß Nr. 1008 VV RVG möglich, da Absatz 1 der Anmerkung zu Nummer 1008 VV RVG bestimmt, dass als Voraussetzung der Erhöhung bei Wertgebühren der derselbe Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit vorliegen muss. In den drei Beispielsfällen werden innerhalb einer Angelegenheit (z. B. Klage) aber verschiedene Gegenstände (Ansprüche) geltend gemacht.

 

Rz. 36

Ist der RA von mehreren Auftraggebern in einer Angelegenheit gemeinschaftlich wegen verschiedener Gegenstände beauftragt worden, so erhält er dafür auch höhere Gebühren, jedoch nicht gemäß § 7 RVG, Nr. 1008 VV RVG! In solchen Fällen werden gemäß § 22 Abs. 1 RVG von den einzelnen Gegenständen die Werte zusammengerechnet, sodass der RA über den sich daraus ergebenden höheren Gegenstandswert natürlich auch eine erhöhte Vergütung erhält. In diesem Falle erwachsen dem RA übrigens alle Wertgebühren für diesen Auftrag nach dem höheren Wert und es werden nicht nur die in Nr. 1008 VV RVG bestimmten Gebühren erhöht.

 

Beispiel:

Zwei Unterhaltsgläubiger klagen jeweils einen eigenen Unterhaltsanspruch in Höhe von 500,00 EUR monatlich gegen denselben Unterhaltsschuldner in einer Klage ein. Da es sich bei den Forderungen nicht um denselben Gegenstand handelt, gibt es keine Erhöhung gemäß Nr. 1008 VV RVG, sondern die Gegenstandswerte von jeweils 12 x 500,00 EUR = 6.000,00 EUR (§ 51 Abs. 1 FamGKG) werden nach § 22 Abs. 1 RVG addiert, sodass der Gegenstandswert in dieser Angelegenheit 12.000,00 EUR beträgt.

 

Rz. 37

Es sei aber darauf hingewiesen, dass die Vergütung des RA hierbei niedriger ausfällt, als wenn er jeden Auftraggeber gesondert vertreten hätte, da die Gebühren bei steigenden Gegenstandswerten nicht mehr so stark wachsen. Man spricht hier auch von der Degression der Gebührentabelle (siehe § 1 Rdn 24 ff.).

 

Hinweis:

Ein Beispiel für verschiedene Gegenstände in einer Angelegenheit zeigt der BGH, der entschieden hat, dass, wenn ein RA mehrere Geschädigte wegen deren jeweils eigenen Ansprüchen in einem Prozess gemeinsam vertritt, nur eine gebührenrechtliche Angelegenheit vorliegt (Beschluss vom 24.03.2016 – III ZB 116/15).

Als weiteres Beispiel aus der Rechtsprechung für das Vorliegen verschiedener Gegenstände in verschiedenen Angelegenheiten sei das Urteil des LG Passau vom 21.05.2015 (3 S 101/14) zitiert. Nach einem Verkehrsunfall hatten die verletzte Ehefrau Schmerzensgeld (höchstpersönlicher Anspruch) und der Ehemann Schadenersatz (wegen Sachschadens) eingefordert. Mann und Frau hatten ihrem RA jeweils eine gesonderte Vollmacht erteilt, da die Frau im Krankenhaus lag. Damit hatte der RA zum einen zwei Aufträge, die er getrennt in außergerichtlichen Schreiben erfolgreich bearbeitete (siehe auch Rdn 132). Hinzu kommt hier zudem, dass die Forderungen von Frau und Mann aus demselben Unfall ganz verschieden waren. Die Schmerzen der Frau können nicht gemeinsame Schmerzen gewesen sein und der Pkw gehörte nur dem Ehemann. (Achtung: Je nach Sachlage hätte der RA eventuell darauf hinweisen müssen, dass ein gemeinsamer Auftrag der kostengünstigere Weg ist).

 

Merke:

Ein Auftrag, auch von mehreren Personen, in einem Verfahren ist eine gebührenrechtliche Angelegenheit.

Mehrere Aufträge in mehreren Verfahren sind mehrere gebührenrechtliche Angelegenheiten.

Grundsätzlich entscheidet der erteilte Auftrag.

In einer Angelegenheit können mehrere Ansprüche vorliegen, die zusammengerechnet den Gegenstandswert ergeben.

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