Rz. 24

Die den Kostengesetzen anliegenden Gebührentabellen sind degressiv aufgebaut. Degressiv heißt abnehmend, sich stufenweise vermindernd. Gemeint ist damit: Je höher der Wert ist, nach dem eine Gebühr zu berechnen ist, desto niedriger wird die Gebühr im Verhältnis zum Wert. Oder anders ausgedrückt: Die Gebühren steigen bei niedrigen Werten schneller als bei hohen.

 

Beispiel:

Bei einem Wert von 500,00 EUR beträgt die volle Gebühr nach der Tabelle des GKG 38,00 EUR. Bei einem Wert von 5.000,00 EUR beträgt sie nicht, wie zu erwarten wäre, das Zehnfache, also 380,00 EUR, sondern nur 161,00 EUR. Bei einem Wert von 50.000,00 EUR beträgt sie weder 3.800,00 EUR noch 1.610,00 EUR, sondern nur 601,00 EUR. Bei einem Wert von 500.000,00 EUR beträgt die Gebühr weder 38.000,00 EUR noch 16.100,00 EUR, noch 6.010,00 EUR, sondern nur 3.901,00 EUR. Das Beispiel lässt deutlich erkennen, dass die Gebühren nicht entsprechend mit den Werten steigen.

 

Rz. 25

Dass bei niedrigen Werten die Gebühren vergleichsweise höher sind als bei den hohen Werten, hängt damit zusammen, dass alle Verfahren normalerweise den gleichen Arbeitsaufwand erfordern, unabhängig vom Wert, um den es dabei geht. Obwohl der Gesetzgeber wünscht, dass auch Prozesse wegen niedriger Streitwerte für den Bürger noch finanzierbar sind, hält er es doch für gerecht, dass auch bei den niedrigen Streitwerten noch ein gewisser Teil des entstehenden Aufwandes bei Gericht und bei den Rechtsanwälten abgedeckt wird. Man darf sich dabei natürlich nicht wundern, wenn bei Zivilprozessen wegen niedriger Streitwerte bereits in der ersten Instanz die Prozesskosten für das Gericht und zwei Rechtsanwälte insgesamt fast so hoch sind wie der Streitwert oder ihn sogar übersteigen. Andererseits "subventionieren" die Verfahren wegen hoher Werte sozusagen die Verfahren wegen niedriger Werte.

 

Beispiel:

Zivilprozess wegen eines Streitwertes von 400,00 EUR in erster Instanz. Beide Parteien sind durch Rechtsanwälte vertreten. Es entsteht eine dreifache Gerichtsgebühr von 38,00 EUR, also zusammen 114,00 EUR, sowie für jeden Rechtsanwalt 2,5 mal 49,00 EUR zuzüglich 20,00 EUR Auslagenpauschale und 27,08 EUR USt., also zusammen 169,58 EUR. Die Prozesskosten insgesamt betragen also 114,00 EUR + 2 x 169,58 EUR = 453,16 EUR. Alleine in der ersten Instanz übersteigen die Kosten also schon den Streitwert.

Bei einem Wert von 1.000,00 EUR würden die in gleicher Weise berechneten Prozesskosten dagegen nur noch 745,20 EUR betragen und damit den Streitwert bereits unterschreiten. Bei einem Wert von 10.000,00 EUR entstünden Prozesskosten von sogar nur noch 4.498,90 EUR.

 

Rz. 26

Es sei an dieser Stelle der Hinweis gestattet, dass dies nicht nur eine theoretische Spielerei ist, sondern dass die Degression der Gebührentabelle ein bei vielen Kostenrechnungen zu beachtender Faktor ist. Dies ist immer dann der Fall, wenn von Teilbeträgen eines Gegenstandswertes gleichartige Gebühren berechnet werden. Diese Gebühren werden dann nach den niedrigen Wertteilen aus der Tabelle abgelesen, was zu vergleichsweise hohen Gebühren führt, die, wenn man sie zusammenrechnet, zur Folge haben, dass die Summe der Gebühren höher ist, als wenn man eine Gebühr nach dem Wert insgesamt berechnet hätte. Auf diesen letzteren Gebührenbetrag sind dann die Gebühren für die Wertteile zu kappen. Sie werden sich noch später nach § 15 Abs. 3 RVG ausgiebig mit dieser Problemstellung beschäftigen.

 

Beispiel:

In einem Prozess lautet die Klage über einen Streitwert von 1.000,00 EUR. Die Gerichtskostenvorauszahlung für die (dreifache) Verfahrensgebühr beträgt 174,00 EUR. Später erweitert der Kläger die Klageforderung um 500,00 EUR auf 1.500,00 EUR. Wegen der zusätzlichen 500,00 EUR wäre nun eine weitere Gerichtskostenvorauszahlung nach der Tabelle von 114,00 EUR fällig. Wäre aber die Klage von Anfang an über 1.500,00 EUR gegangen, so wäre nur eine Vorauszahlung von 234,00 EUR einzuzahlen gewesen. Die wegen der 500,00 EUR nach § 12 Abs. 1 S. 2 GKG einzuzahlende weitere Vorauszahlung darf gemäß § 36 Abs. 2 GKG nur 60,00 EUR betragen, da die 234,00 EUR nach dem gesamten Wert die Obergrenze darstellen (174,00 EUR + 60,00 EUR = 234,00 EUR).

Diese Überlegungen spielen z. B. eine Rolle bei § 36 Abs. 2, Abs. 3 GKG, § 30 Abs. 3 FamGKG und § 15 Abs. 3 RVG (vgl. § 2 Rdn 135 f.) sowie auch bei § 22 Abs. 1 RVG.

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