Rz. 257

Der Einwand kann allerdings schon im Ansatz nur dann Erfolg haben, wenn es möglich erscheint, dass ein Rechtsanwalt den Auftrag, den der Inkassodienstleister bezüglich des außergerichtlichen Forderungseinzuges erhalten hat, in gleicher Weise hätte erfüllen können. Dies wird bei einem rein schriftlichen Forderungsinkasso durch den Inkassodienstleister der Fall sein. Schon hier können sich aber erste Differenzierungen ergeben, wenn der Aufenthalt des Schuldners unbekannt ist und Einwohnermelderegisterabfragen des Gläubigers bereits erfolglos waren.

 

Hinweis

Hier zeigt sich ein Unterschied in den Kernkompetenzen zwischen dem Rechtsanwalt und dem Inkassodienstleister. Letztere bieten dem Gläubiger in einem solchen Fall eine Vielzahl von Recherchemaßnahmen über eigene Datenbanken, kommerzielle Auskunfteien oder Ermittlungsmaßnahmen vor Ort oder auch umfängliche Suchen über elektronische Medien an. Rechtsanwälte verfügen hier regelmäßig weder über entsprechende eigene Informationen noch die wirtschaftlichen Verbindungen zu kommerziellen Auskunfteien, die eine wirtschaftliche Befriedigung des Informationsbedürfnisses des Gläubigers ermöglichen. Deshalb ist es sachgerecht, dass der Gläubiger sich hier für den Inkassodienstleister statt für den Rechtsanwalt entscheidet. ­Solche Unterschiede in der Arbeitsweise sind auch durchaus in der früheren Rechtsprechung anerkannt,[525] und müssen – unter Beachtung von § 13e und f RDG übertragen werden.

Erwartet der Gläubiger insbesondere auch durch das Telefoninkasso, d.h. die fernmündliche Kontaktaufnahme mit dem Schuldner, einen erfolgreichen Forderungseinzug bei fortgesetzter Kundenbindung, ist fraglich, ob der Rechtsanwalt dieses Leistungsspektrum bieten will, da Rechtsanwälte in der Regel nur schriftlich tätig werden. Die Praxis zeigt, dass sich über die fernmündliche Kontaktaufnahme vielfach Ratenzahlungsvereinbarungen mit dem Schuldner erzielen lassen, die mit hohen Quoten auch erfüllt werden. Ursache dafür ist, dass der Inkassodienstleister sich nicht ausschließlich mit der Begründetheit der Forderung, sondern in erheblichem Umfang zusätzlich auch um die Frage der Leistungsfähigkeit und -willigkeit des Schuldners bemüht. Dies setzt allerdings auch eine hinreichende Schulung und Erfahrung im Telefoninkasso voraus, um den Schuldner in der richtigen Art und Weise motivierend und erklärend, vor allem aber wirtschaftlich lösungsorientiert anzusprechen. Es müssen seine Leistungswilligkeit und -fähigkeit hinterfragt und seine Optionen zur Stärkung seiner Einkommens- und Vermögenssituation[526] geklärt werden.

 

Rz. 258

 

Hinweis

Die fernmündliche Ansprache ist dabei auch wichtig, wenn es zu Stockungen bei der Erfüllung der Ratenzahlungsvereinbarung kommt. Dabei bieten Inkassodienstleister diese Form der Kontaktaufnahme und des "Kontakthaltens" auch in den frühen Abendstunden[527] und am Samstag an, d.h. zu Zeiten, in denen der Schuldner auch tatsächlich erreichbar ist. Es handelt sich um verstärkte Maßnahmen der Langzeitüberwachung, die Rechtsanwälte selten gewährleisten können oder angesichts der geringen Gebühren gewährleisten wollen.

 

Rz. 259

Hier soll allerdings nicht übersehen werden, dass sich das Berufsbild in der Praxis durchaus wandelt und sich zunehmend auch Rechtsanwälte nicht gehindert sehen, mit dem Schuldner den fernmündlichen Kontakt zu suchen. Allerdings liegt dann die Geschäftsgebühr des Rechtsanwaltes regelmäßig über einer 0,9- oder 1,3-Geschäftsgebühr. Eröffnet wird dann der Rahmen von einer 1,5–2,5-Geschäftsgebühr im Sinne der früheren Besprechungsgebühr.[528] Würde der Rechtsanwalt während eines gerichtlichen Verfahrens mit dem Schuldner fernmündlichen Kontakt aufnehmen, um eine Erledigung der Angelegenheit herbeizuführen, führte dies ebenfalls zu einer wesentlichen Erhöhung der Gebühr, weil er dann die 1,2-Terminsgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 3, S. 3 Nr. 2 i.V.m. Nr. 3104 VV RVG erhielte. Nichts anderes gilt im gerichtlichen Mahnverfahren über die Vorbem. 3.3.2 VV RVG. Im vorgerichtlichen Bereich ist dies durch eine entsprechende Ausschöpfung des Rahmens der Geschäftsgebühr zu berücksichtigen.

 

Hinweis

Die Erhöhung des Gebührensatzes muss sich ihrem Umfang nach an quantitativen wie qualitativen Kriterien messen lassen. Ein über das durchschnittliche Telefonat hinausgehendes Gespräch kann allein wegen seiner Länge ein Überschreiten rechtfertigen. Gleiches gilt, wenn besondere Kompetenzen im Recht erforderlich sind.

 

Rz. 260

Dagegen wird eine Vergleichbarkeit des Tätigkeitsspektrums zwischen Rechtsanwalt und Inkassodienstleister nicht mehr anzunehmen sein, wenn der Gläubiger ausdrücklich auch den Einsatz eines Außendienstes[529] und damit die persönliche Kontaktaufnahme mit dem Schuldner fordert, um dessen Aufenthalt und seine Vermögensverhältnisse vor Ort zu klären[530] und ihn im persönlichen Gespräch, wenn nicht zum unmittelbaren Forderungsausgleich, so doch zumindest zum Abschluss einer Zahlungsvereinbarung zu bewegen. Das kann dort sinnvoll sein und stellt sic...

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