Rz. 872

§ 75 HGB regelt das Schicksal des Wettbewerbsverbots im Falle einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses; ungeregelt bleibt nur der Fall der arbeitnehmerseitigen ordentlichen Kündigung, die folglich das Wettbewerbsverbot unberührt lässt.

 

Rz. 873

Nach Abs. 1 besteht bei einer außerordentlichen arbeitnehmerseitigen Kündigung wegen eines vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitgebers gem. § 626 BGB (früher §§ 70, 71 HGB) ein Lossagungsrecht des Arbeitnehmers: Er kann innerhalb eines Monats nach der Kündigung schriftlich erklären, dass er sich an die Wettbewerbsabrede nicht gebunden erachtet (vgl. unten Rdn 898).

 

Rz. 874

Abs. 3 regelt den Fall der arbeitgeberseitigen außerordentlichen Kündigung und führt nach seinem Wortlaut zum vollständigen Verlust des Entschädigungsanspruchs, also zu einer unbezahlten Karenzzeit. Wegen dieser Ungleichbehandlung von außerordentlichen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberkündigungen hat das BAG § 75 Abs. 3 HGB für verfassungswidrig erklärt.[1837] Die hierdurch entstandene Regelungslücke wird durch eine analoge Anwendung des § 75 Abs. 1 HGB geschlossen, d.h. auch der Arbeitgeber erhält nur ein Lossagungsrecht (vgl. Rdn 918, 899).[1838]

 

Rz. 875

Abs. 2 enthält ein Lossagungsrecht des Arbeitnehmers bei sonstigen arbeitgeberseitigen Kündigungen. Das Lossagungsrecht ist ausgeschlossen, wenn für die Kündigung ein erheblicher Anlass in der Person des Arbeitnehmers vorliegt. Erfasst wird jeder Grund, der eine personen- oder verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigt, nicht also betriebsbedingte Gründe.[1839] Das Lossagungsrecht entfällt außerdem, wenn sich der Arbeitgeber bei der Kündigung ggü. dem Mitarbeiter bereit erklärt, während der Dauer des Wettbewerbsverbots die vollen zuletzt von ihm bezogenen vertragsmäßigen Leistungen weiter zugewähren.

 

Rz. 876

§ 75 HGB wird auf Aufhebungsverträge entsprechend angewandt, wenn der Anlass den dort geregelten Fällen entspricht und lediglich statt der Kündigung ein Aufhebungsvertrag als milderes Mittel gewählt wird.[1840]

[1837] BAG 23.2.1977 – 3 AZR 620/75, AP Nr. 6 zu § 75 HGB.
[1838] BAG 23.2.1977 – 3 AZR 620/75, AP Nr. 6 zu § 75 HGB; BAG 31.7.2002 – 10 AZR 513/01, AP Nr. 74 zu § 74 HGB; ErfK/Oetker, § 75 HGB Rn 5; Staub/Weber, § 75 Rn 4, Rn 21 ff.
[1839] Fröhlich, ArbRB 2014, 244; ErfK/Oetker, § 75 HGB Rn 4; Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn 660.
[1840] BAG 26.9.1963 – 5 AZR 2/63, AP Nr. 1 zu § 75 HGB; BAG 24.9.1965 – 3 AZR 223/65, AP Nr. 3 zu § 75 HGB; Staub/Weber, § 75 Rn 40; ErfK/Oetker, § 75 HGB Rn 6; HWK/Diller, § 75 HGB Rn 29; Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn 628; a.A. MüKo-HGB/v. Hoyningen-Huene, § 75 Rn 22; Wertheimer, NZA 1997, 522, 523.

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