Rz. 461

Die Telearbeit wird vielfach in der Arbeitsrechtswissenschaft als eine der modernsten Arbeitsformen der Zukunft beschrieben.[948] Neue innovative und technische Möglichkeiten des digitalen Zeitalters stellen für Unternehmen eine neue Herausforderung dar ebenso wie veränderte gesellschaftliche Wertungen und Forderungen auch der Arbeitnehmer nach flexiblen Arbeitsbedingungen.[949] Die Möglichkeit zu einem flexiblen Arbeiten außerhalb von betrieblichen und festen Zeitstrukturen ist für Arbeitnehmer teilweise auch Kriterium bei der Auswahl des zukünftigen Arbeitgebers. Teilweise besteht auch das Bedürfnis, die Arbeit jedenfalls für einen bestimmten Zeitraum vom Ausland aus erbringen zu können. Den Arbeitgeber stellen diese Modelle vor komplexe Herausforderung insbesondere in Bezug auf den Arbeitsschutz, Datenschutz, Koordinierung betrieblicher Abläufe und letztlich auch die Kontrolle des Arbeitnehmers.[950] Der Begriff der "Telearbeit" beschreibt keinen bestimmten Arbeitsvertragstyp oder keine bestimmten Tätigkeitsmerkmale, sondern lediglich die Art und Weise der Leistungserbringung. Unter Telearbeit wird üblicherweise eine Tätigkeit verstanden, die mit Hilfe informationstechnischer Endgeräte zumindest zeitweise außerhalb der zentralen Betriebsstätte des Auftraggebers ausgeführt wird, wobei die Verbindung zum Auftraggeber über Telekommunikationsmedien erfolgt.[951] Eine der Vielzahl von rechtlichen Fragen, die sich bei der Einführung von Telearbeit stellen, ist der Status des Arbeitnehmers. Abhängig von der jeweiligen vertraglichen Ausgestaltung und der Art der Erbringung der Telearbeit kann diese sowohl im Rahmen eines Arbeitsvertrages oder Dienstvertrages als auch eines Werkvertrages erbracht werden. Maßgebend ist in erster Linie der Grad der Weisungsabhängigkeit des Mitarbeiters sowie die Ausgestaltung der Anbindung des Mitarbeiters an die betriebliche Organisationseinheit[952] (zur Ausgestaltung eines Dienstvertrages siehe unten Rdn 769 ff.). Denkbar ist auch, dass sich die Ausgestaltung der Telearbeit nach dem Heimarbeitsgesetz richtet, sofern der Arbeitnehmer nicht weisungsabhängig tätig ist[953] (zur Ausgestaltung eines Heimarbeitsvertrages vgl. oben Rdn 447 ff.). Ein Arbeitsverhältnis ist dann anzunehmen, wenn dem Mitarbeiter Weisungen im Hinblick auf die Arbeitsdurchführung, den Arbeitsort und auch zum Teil der Arbeitszeit gegeben werden und der Mitarbeiter zumindest zum Teil in die betriebliche Struktur eingebunden ist. Grundsätzlich gibt es keinen gesetzlichen Anspruch der Mitarbeiter auf Ableistung der Arbeit in Form von Telearbeit in einem "mobile office".[954] Die Rechtsprechung leitet diese Feststellung aus der Regelung des § 106 GewO ab, nach der der Arbeitgeber den Ort der Arbeit im Rahmen seines Weisungsrechtes in den Grenzen billigen Ermessens bestimmen kann.[955] Anerkannt wird ein Anspruch auf Einräumung eines Telearbeitsplatzes im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses indes bei schwerbehinderten Arbeitnehmern. Aus § 164 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 SGB IX wird hergeleitet, dass ggf. ein solcher Anspruch bestehen kann, wenn die Telearbeit leidensgerecht ist und dem Arbeitgeber die Einrichtung des Telearbeitsplatzes zumutbar ist.[956] Ob der Arbeitgeber seinerseits mobiles Arbeiten außerhalb der Betriebsstätte kraft Direktionsrecht dem Arbeitnehmer zuweisen kann, hängt vom Inhalt der arbeitsvertraglichen Vereinbarung ab.

 

Rz. 462

Das nachfolgende Vertragsmuster setzt voraus, dass die Telearbeit, wie dies ganz überwiegend verbreitet ist, im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses erbracht werden soll.

[948] Kramer, DB 2000, 1329; Boemke, BB 2000, 147.
[949] Schwierig/Zurel, ZD 2016, 17.
[950] Dix, ARP 2020, 38, 39; Arens ARP 2020, 87, 88.
[951] Peter, DB 1998, 573; Wank, NZA 1999, 225, 230; Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung/Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie/Bundesministerium für Bildung und Forschung, Telearbeit Leitfaden für flexibles Arbeiten in der Praxis, 2001 Anm. 2.1.
[952] Siehe ausf. Wank, NZA 1999, 225, 231 ff.; Boemke, BB 2000, 147, 149; Schaub/Vogelsang, ArbR-Hdb., § 164 Rn 15; MHdB ArbR/Schneider, § 19 Rn 43.
[953] Collardin, S. 28; Schaub, BB 1998, 2106, 2109; Wank, RdA 2010, 193, 207.
[954] Picker, ZfA 2019, 269.

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