(1) Vierwöchiger Bestand des Arbeitsverhältnisses

 

Rz. 419

Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle entsteht erstmals nach 4-wöchiger ununterbrochener Dauer des Arbeitsverhältnisses, § 3 Abs. 3 EFZG. Ausreichend für die Erfüllung dieser Wartezeit ist der rechtliche Bestand des Arbeitsverhältnisses; eine tatsächliche Beschäftigung ist nicht notwendig.[964] So erhält der nach Beginn des Arbeitsverhältnisses dauerhaft erkrankte Arbeitnehmer einen Anspruch vom ersten Tag der 5. Woche für die gesetzlich vorgesehene Dauer (6 Wochen), auch wenn er in den ersten 4 Wochen keine Arbeitsleistung erbringen konnte.[965]

[964] BAG 26.5.1999 – 5 AZR 476/98, NZA 1999, 1273; Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 98 Rn 46.
[965] BAG 26.5.1999 – 5 AZR 476/98, NZA 1999, 1273; BAG 16.1.2002 – 5 AZR 303/00, NZA 2002, 1163; ErfK/Reinhard, § 3 EFZG Rn 33; Bauer/Lingemann BB 1996, Beil. 17, 8; a.A. Gaumann/Schafft NZA 2000, 811: Bei einer kündigungsbedingten Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit innerhalb der Wartezeit des § 3 Abs. 3 EFZG soll dem Arbeitnehmer kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung zustehen; § 8 Abs. 1 EFZG soll bei einer Kündigung in dieser Phase keine Anwendung finden.

(2) Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit (sog. "Monokausalität")

 

Rz. 420

Weiterhin muss die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit die alleinige Ursache für die Arbeitsverhinderung sein (sog. "Monokausalität").[966] Der Arbeitnehmer hat nur dann Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn er ohne Erkrankung gearbeitet hätte und arbeiten hätte können.[967] Wäre die Arbeit im maßgeblichen Zeitraum (auch) aus einem anderen Grund nicht geleistet worden, besteht kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Von diesem Grundsatz kann allenfalls durch Tarifvertrag abgewichen werden.[968]

 

Rz. 421

Folgende Sachverhalte führen ebenfalls zu einer – bezahlten oder unbezahlten – Freistellung und können unter Umständen die Entgeltfortzahlung nach EFZG ausschließen:

Urlaub: Urlaub und Entgeltfortzahlung schließen sich aus. Während des Urlaubs erhält der Arbeitnehmer sog. Urlaubsentgelt. Erkrankt der Arbeitnehmer während des Urlaubs, tritt an Stelle des Urlaubsentgelts die Entgeltfortzahlung. Die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit werden auf den Jahresurlaub nicht angerechnet, § 9 BUrlG.[969] Das gilt auch während eines sog. Betriebsurlaubs.[970] Anders nur bei unbezahltem Sonderurlaub; der Arbeitnehmer, der sich ohne Vergütung von den Arbeitspflichten hat befreien lassen, kann keine Entgeltfortzahlung verlangen, wenn er während dieser Zeit erkrankt.[971]
Streikteilnahme: Beteiligt sich ein Arbeitnehmer an einem Streik, hat er für die Zeit der Arbeitsniederlegung keinen Anspruch auf das Arbeitsentgelt. Arbeitsleistung und Arbeitsentgelt stehen in einem Gegenseitigkeitsverhältnis (§ 611 BGB); die Nichterbringung der Arbeitsleistung hat zur Folge, dass der Anspruch auf die Gegenleistung entfällt (§ 326 BGB). Wenn der Arbeitnehmer während des Streiks erkrankt, hat er dementsprechend auch keinen Entgeltfortzahlungsanspruch nach dem EFZG. Umgekehrt behält der Arbeitnehmer seinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn er bereits arbeitsunfähig erkrankt war, bevor der Streik gegen den Arbeitgeber begann, solange er sich nicht am Streik beteiligt.[972]
Aussperrung: Im Fall der Aussperrung werden die werden die beiderseitigen Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis suspendiert. Der Entgeltfortzahlungsanspruch des Arbeitnehmers, der arbeitsunfähig erkrankt war, entfällt, da die Arbeitsunfähigkeit nicht die alleinige Ursache für die Arbeitsverhinderung und den Verdienstausfall ist; auch bei voller Arbeitsfähigkeit hätte der Arbeitnehmer aufgrund der Aussperrung kein Entgelt erhalten.[973]
Aufenthaltserlaubnis: Fehlt einem ausländischen Arbeitnehmer die für eine Beschäftigung in Deutschland erforderliche Aufenthaltserlaubnis nach dem AufenthaltsG und steht fest, dass der Arbeitgeber dem Verbot folgend den Arbeitnehmer nicht beschäftigt hätte, ist bei Arbeitsunfähigkeit kein Entgeltfortzahlungsanspruch gegeben. Dasselbe gilt für die Fälle der fehlenden Arbeitserlaubnis bei EU-Neubürgern nach den §§ 284 ff. SGB III (sog. Arbeitsgenehmigung-EU für Staatsangehörige der neuen EU-Mitgliedstaaten).[974]
Beschäftigungsverbot: Unterliegt eine werdende Mutter einem der krankheitsunabhängigen Beschäftigungsverbote, wie sie in § 11 MuSchG genannt sind, so erhält sie grundsätzlich keine Entgeltfortzahlung nach dem EFZG, sondern Vergütung nach § 11 MuSchG ("Mutterschutzlohn").[975]
Kurzarbeit: Ruht aufgrund von Kurzarbeit die Arbeit im Betrieb des Arbeitgebers vollständig, so ist nicht die Arbeitsunfähigkeit die Ursache für die Arbeitsverhinderung, sondern die Kurzarbeit. Der Arbeitnehmer erhält dann bei Erkrankung keine Entgeltfortzahlung, sondern Krankengeld in Höhe des Kurzarbeitergeldes. Bei Verkürzung der Arbeitszeit gilt dasselbe für die durch Kurzarbeit ausgefallene Zeit; im Übrigen erhält der Erkrankte Entgeltfortzahlung[976] (siehe auch Rdn 458 ff.).
Annahmeverzug: Befindet sich der Arbeitgeber im Annahmeverzug...

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