Rz. 1365

Die unzutreffende sozialversicherungsrechtliche Behandlung eines Arbeitsverhältnisses hat für die Vertragsparteien weitreichende Folgen. Stellt sich nachträglich heraus, dass entgegen der Vorstellungen der Parteien ein Beschäftigungsverhältnis i.S.v. § 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV vorliegt, obliegt dem Arbeitgeber die rückwirkende Beitragszahlung einschließlich der auf die Beiträge entfallenden Arbeitnehmeranteile.[3011] Die rückwirkende Beitragspflicht verjährt erst nach vier Jahren; ist die Beitragszahlung vorsätzlich unterblieben, unterliegt die Beitragsnachforderung lediglich einer dreißigjährigen Verjährungsfrist, § 25 Abs. 1 SGB IV. Die Beitragsnachforderung kann daher für den Arbeitgeber existenzgefährdende Ausmaße erreichen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Realisierung des Erstattungsanspruchs hinsichtlich der Arbeitnehmeranteile durch den begrenzten Beitragsabzug erschwert wird. Hinzu kommt, dass der gesetzliche Mindesturlaub der vergangenen Jahre ohne zeitliche Begrenzung gewährt werden muss.[3012]

 

Rz. 1366

Dieses Risiko kann auch durch eine vertragliche Regelung nicht gemindert werden. Die vertragliche Belastung des Arbeitnehmers mit den Arbeitgeberanteilen ist grds. nicht möglich.[3013] Da gesetzlich eine Übernahme der Arbeitgeberanteile an dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag durch den Arbeitnehmer nicht vorgesehen ist, kann diese wegen § 32 Abs. 1 SGB I auch vertraglich nicht in zulässiger Weise vereinbart werden. Auch die Belastung des Arbeitnehmers mit den Arbeitnehmeranteilen über die gesetzlichen Bestimmungen hinaus beinhaltet eine unzulässige Benachteiligung des Arbeitnehmers; eine arbeitsvertragliche Erweiterung des Lohnabzugsverfahrens ist daher ebenso unzulässig.[3014] Vereinbarungen, mit denen für den Fall der nachträglichen Feststellung der Beitragspflicht der Arbeitnehmer allein mit der Beitragszahlung belastet werden soll, sind daher nicht nur unwirksam, sondern können darüber hinaus den Verdacht begründen, dass der Arbeitgeber seine Beitragspflicht zumindest für möglich gehalten und die Beitragszahlung dadurch bedingt vorsätzlich unterlassen hat; auch in diesem Fall gilt für rückständige Beitragspflichten die dreißigjährige Verjährungsfrist.[3015] Von derartigen Vereinbarungen ist daher dringend abzuraten.

[3011] Die Übernahme der Arbeitnehmeranteile dabei nur dann keine lohnsteuerpflichtige Zuwendung an den Arbeitnehmer, wenn die Beitragsentrichtung nicht bewusst unterblieben ist, BFH 13.9.2007, BB 2007, 2551.
[3012] EuGH 29.11.2017 – C-214/16 (King), NJW 2018, 33.
[3014] LSG Hamburg 3.5.2018 – L 1 KR 83/16, juris; Preis/Rolfs, Arbeitsvertrag, I D Rn 2 ff.

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