Rz. 1036

Das Recht zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund kann nach allgemeiner Auffassung[2317] auch einzelvertraglich nicht ausgeschlossen werden. Die Möglichkeit, sich von einem mit unzumutbaren Belastungen verbundenen Vertragsverhältnis lösen zu können, ist unabdingbar, und zwar für Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen.[2318] Dies gilt nicht nur für personen- oder verhaltensbedingte Kündigungen, bei denen der wichtige Grund aus der Sphäre des Vertragspartners stammt, sondern auch für betriebsbedingte Kündigungen des Arbeitgebers. Zu den verfassungsrechtlich geschützten Freiheitsrechten gehört auch das der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG immanente Recht des Arbeitgebers, Arbeitsverhältnisse zu begründen und zu beenden; da dem Arbeitgeber die Möglichkeit verbleiben muss, seine unternehmerische Betätigung aufzugeben oder einzuschränken, benötigt er zur Umsetzung einer solchen unternehmerischen Entscheidung auch die Möglichkeit, Arbeitsverhältnisse wirksam beenden zu können.[2319] Kündigungsbeschränkungen, die diese Entscheidungsfreiheit beseitigen wollten, sind daher bereits aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht haltbar.[2320]

 

Rz. 1037

Der in dem Muster vorgesehene Ausschluss der außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung ist daher nicht uneingeschränkt wirksam. Dem Arbeitgeber kann durch ein vertragliches Kündigungsverbot nichts evident Unzumutbares oder Unmögliches aufgebürdet werden. Eine solche Regelung ist daher einschränkend dahingehend auszulegen, dass sie bei Vorliegen eines objektiv wichtigen Grundes keine Geltung erlangt.[2321] Damit rechtfertigt zwar nicht jede unternehmerische Entscheidung, die zu einem Wegfall des Arbeitsplatzes führt, eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung; dennoch kommt in Ausnahmefällen eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung unter Einhaltung einer sozialen Auslauffrist in Betracht, wenn eine ordentliche Kündigung ausgeschlossen und dem Arbeitgeber die Fortsetzung eines sinnentleerten Arbeitsverhältnisses über viele Jahre hinweg unzumutbar ist.[2322] Für derartige ­Ausnahmefälle kann der Ausschluss des außerordentlichen Kündigungsrechts nicht wirksam vereinbart werden.[2323]

[2317] BAG 22.11.2012 – 2 AZR 673/11, juris; BAG 10.5.2007 – 2 AZR 626/05, DB 2007, 2488; BAG 27.6.2002 – 2 AZR 367/01, BB 2003, 314; BAG 6.11.1956 – 3 AZR 42/55, AP Nr. 14 zu § 626 BGB; ErfK/Niemann, § 626 BGB Rn 194; APS/Vossen, § 626 BGB Rn 7; Oetker, ZfA 2001, 287.
[2318] BAG 1.6.2017 – 6 AZR 720/15, NZA 2017, 1332; Hessisches LAG 20.9.1999 – 16 Sa 2617/98, NZA-RR 2000, 413; APS/Vossen, § 626 BGB Rn Rn 9; Pauly, AuR 1997, 94, 95; a.A. Gamillscheg, AuR 1981, 105.
[2319] BAG 22.11.2012 – 2 AZR 673/11, juris;a.A. Stein, DB 2013, 1299 im Falle unternehmerischer Entscheidungen ohne äußeren Sachzwang.
[2320] BAG 5.2.1998 – 2 AZR 227/97, NZA 1998, 771; Papier, RdA 1989, 138.
[2322] Gaul/Bonnani, ArbRB 2007, 116.
[2323] HWK/Sandmann, § 626 BGB Rn 194.

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