Rz. 769

Da betriebsbedingte Gründe zur ordentlichen Kündigung berechtigen, kommt nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine außerordentliche fristlose Kündigung regelmäßig nicht in Betracht. Ist ein Arbeitnehmer jedoch vertraglich oder tarifvertraglich nicht mehr ordentlich kündbar, lässt die Rechtsprechung in engen Ausnahmefällen eine außerordentliche Kündigung zu (BAG, Urteil v. 5.2.1998, 2 AZR 227/97[1]). Unter welchen Voraussetzungen eine außerordentliche Kündigung eines ordentlich Unkündbaren zulässig ist, bestimmt sich in erster Linie nach den zugrunde liegenden vertraglichen Regeln. So sehen Tarifverträge z. B. vor, bei welchen betrieblichen Voraussetzungen eine Kündigung möglich sein soll, wenn dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nicht mehr möglich ist (BAG, Urteil v. 8.4.2003, 2 AZR 355/02[2]). Ansonsten gilt der Grundsatz, dass eine Kündigung nur dann in Betracht kommt, wenn eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auf Dauer ausscheidet und infolge des Ausschlusses der ordentlichen Kündigung eine ggf. jahrelange Bindung des Arbeitgebers an ein Arbeitsverhältnis zu erwarten ist, in welchem er mangels sinnvoller Einsatzmöglichkeit keine werthaltige Gegenleistung mehr erhält (BAG, Urteil v. 22.10.2015, 2 AZR 650/14[3]; BAG, Urteil v. 26.3.2015, 2 AZR 783/13[4]; BAG, Urteil v. 20.6.2013, 2 AZR 379/12[5]), etwa weil der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer über einen längeren Zeitraum das Gehalt weiterzahlen müsste, obwohl er z. B. wegen einer Betriebsstilllegung für dessen Arbeitskraft keine Verwendung mehr hat (BAG, Urteil v. 26.3.2015, 2 AZR 783/13[6]; BAG, Urteil v. 18.6.2015, 2 AZR 480/14[7]; BAG, Urteil v. 23.1.2014, 2 AZR 372/13[8]; BAG, Urteil v. 24.6.2004, 2 AZR 215/03[9]). Hinsichtlich der an eine außerordentliche Kündigung zu stellenden gesteigerten Anforderungen verlangt die Rechtsprechung allerdings vom Arbeitgeber, bereits bei der Erstellung des unternehmerischen Konzepts den Ausschluss ordentlicher Kündigungen zu berücksichtigen. Der Arbeitgeber ist mit dem Kündigungsausschluss ein hohes Risiko und eine weit reichende Verpflichtung eingegangen, der er hinsichtlich der zumutbaren Vertragsänderungen Rechnung tragen muss (BAG, Urteil v. 2.3.2006, 2 AZR 64/05[10]). Allerdings können auch innerbetriebliche Gründe eine außerordentliche Kündigung jedenfalls dann rechtfertigen, wenn der Sonderkündigungsschutz allein auf einer bestimmten Anzahl von Beschäftigungsjahren und einem bestimmten Lebensalter beruht (BAG, Urteil v. 5.6.2014, 2 AZR 418/13[11]; BAG, Urteil v. 20.6.2013, 2 AZR 379/12[12]).

[1] AP BGB § 626 Nr. 143, NZA 1998 S. 771.
[2] AP BGB § 626 Nr. 181, NZA 2003 S. 856.
[3] NZA 2016 S. 630.
[4] NZA 2015 S. 866.
[5] NZA 2014 S. 139.
[6] NZA 2015 S. 866.
[7] NZA 2015 S. 1315.
[8] NZA 2014 S. 895.
[9] AP BGB § 613a Nr. 278.
[10] Zu Einzelheiten der außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung vgl. im Übrigen Wege, § 626 BGB, Rz. 17 ff.
[11] BeckRS 2014, 74403.
[12] NZA 2014 S. 139.

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