Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung. Pensionierung. Nachschieben von Kündigungsgründen. Gehaltsüberzahlung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine von den Parteien des Arbeitsverhältnisses getroffene Regelung, wonach der Arbeitgeber berechtigt ist, den Arbeitnehmer nach Erreichen eines bestimmten Alters ›vorzeitig zu pensionieren‹ und so das aktive Arbeitsverhältnis zu beenden, ist wegen Gesetzesverstoßes (§§ 134, 626, 622 BGB) nichtig.

2. Betriebsverfassungsrechtlich können Kündigungsgründe, die bei Ausspruch der Kündigung bereits entstanden waren, dem Arbeitgeber aber erst später bekannt geworden sind, im Kündigungsschutzprozess nur nachgeschoben werden, wenn der Arbeitgeber den Betriebsrat zuvor erneut angehört hat (vgl. BAG AP 39 zu § 102 BetrVG 1972). Sind vom Arbeitgeber vor Kenntnis neuer Kündigungsgründe mehrere Kündigungen aus anderen Gründen bereits ausgesprochen worden, so ist das Nachscheiben der neuen Kündigungsgründe zu einer bestimmten Kündigung betriebsverfassungsrechtlich nur dann nicht zu beanstanden, wenn dem Betriebsrat im Rahmen der nachträglichen Anhörung auch mitgeteilt worden ist, dass die Kündigungsgründe gerade bezüglich dieser Kündigung im Kündigungsschutzprozess nachgeschoben werden sollen.

3. Stellt das Arbeitsgericht durch Teilurteil fest, dass das Arbeitsverhältnis durch eine ordentliche Kündigung nicht zu dem vorgesehenen Auflösungstermin beendet worden ist, entscheidet es gleichzeitig bewusst nicht über eine außerordentliche Kündigung, die bei Wirksamkeit das Arbeitsverhältnis zu einem Termin vor Ablauf der Kündigungsfrist der für unwirksam befundenen ordentlichen Kündigung beenden würde, und legt der Arbeitgeber insoweit Berufung ein, so handelt es sich um einen im Berufungsverfahren unbehebbaren Mangel, der unbeschadet von § 68 ArbGG zur Aufhebung des arbeitsgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Arbeitsgericht zwingt.

 

Normenkette

BGB §§ 626, 622, 134; BetrVG § 102; ArbGG § 68; ZPO § 253

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Teilurteil vom 08.07.1999; Aktenzeichen 14 Ca 6311/97)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 8. Juli 1998–14 Ca 6311/97 – wird zurückgewiesen,

soweit sie sich gegen die Feststellung richtet, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Pensionierung vom 30. Juli 1997 zum 1. August 1997 und auch nicht durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 21. August 1997 beendet worden ist.

Die Berufung der Beklagten gegen das vorbezeichnete Teilurteil wird ferner zurückgewiesen, soweit die Beklagte eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses begehrt.

Auf die Berufung der Beklagten wird das vorbezeichnete Teilurteil teilweise abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen, soweit der Kläger von der Beklagten Zahlung des sich aus DM 12.250,00 brutto (i.W.: Zwölftausendzweihundertfünfzig Deutsche Mark) ergebenden Nettobetrages abzüglich gezahlter DM 4.074,64 netto (i.W.: Viertausendvierundsiebzig 64/100 Deutsche Mark) nebst Zinsen verlangt.

Im übrigen wird auf die Berufung der Beklagten das vorbezeichnete Teilurteil aufgehoben, nämlich hinsichtlich der Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weder durch die Kündigung der Beklagten vom 30. Juli 1997 zum 28. Februar 1998, noch durch die Kündigung der Beklagten vom 21. August 1997 zum 31. März 1998 aufgelöst worden ist.

Insoweit wird der Rechtsstreit, auch zur Entscheidung über die Kosten der Berufung, an das Arbeitsgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Beendigung des Arbeitsverhältnisses und um Vergütungsansprüche des Klägers.

Der am 08.01.1941 geborene, verheiratete Kläger, Vater eines Kindes, war seit dem 1. September 1966 bei der Beklagten, einem Unternehmen des Einzelhandels mit weit mehr als fünf Arbeitnehmern, beschäftigt. Vom 1. August 1985 bis 31. Januar 1988 war er bei der …, einem damaligen Tochterunternehmen der Beklagten, tätig, seit 1. Februar 1988 war er wiederum bei der Beklagten, zuletzt aufgrund schriftlichen Vertrages vom 23. März 1995 (Bl. 4 d. A.) ergänzt durch ein von beiden Parteien unterzeichnetes Schreiben vom 11. Mai 1995 (Bl. 31/31 d. A.) als Zentraleinkäufer in der Hauptverwaltung … zu einer monatlichen Vergütung von DM 12.250.00 brutto, jährlich DM 155.000,00 brutto, beschäftigt.

Unter dem 6. Dezember 1981 hatten die Parteien einen laut Schreiben vom 11. Mai 1995 weiterbestehenden ›Pensionsvertrag‹ geschlossen, in dem es unter § 2 2.3 unter anderem heißt:

DieFirma hat das Recht zur vorzeitigen Pensionierung nach Vollendung des 50. Lebensjahres, vor Vollendung des 50. Lebensjahres bestehen keinerlei Ansprüche aus diesem Pensionsvertrag.

Hinsichtlich des genauen Wortlauts des Pensionsvertrages wird auf Bl. 32–34 d. A. Bezug genommen.

Mit der Vergütung für Mai 1996 zahlte die Beklagte an den Kläger DM 1.744,00 brutto als ›Urlaubsgeld‹, mit der Novembervergütung 1996 DM 7.200.00 brutto als ›freiwillige Zahlung WG‹ mit der Maivergütung 1997 DM 1.778,00 brutto al...

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