Rz. 210

Neben der Auskunft über den bloßen Bestand des Nachlasses hat der Pflichtteilsberechtigte auch Anspruch auf Ermittlung des Werts der einzelnen Nachlassgegenstände. Es handelt sich insoweit um einen eigenständigen Anspruch, der vom Auskunftsanspruch grundsätzlich unabhängig ist[638] und daher auch gesondert geltend gemacht werden muss.[639]

 

Rz. 211

Ziel des Wertermittlungsanspruchs ist es, dem Pflichtteilsberechtigten die Berechnung seines Pflichtteilsanspruchs zu ermöglichen.[640] Der Verpflichtete hat daher alle Unterlagen und Informationen vorzulegen, die für die konkrete Wertermittlung der Nachlassgegenstände von Bedeutung sind.[641] Soweit die Mitteilung der wertbestimmenden Tatsachen allein noch kein hinlängliches Bild über den Wert vermittelt, kann der Pflichtteilsberechtigte die Anfertigung eines Sachverständigengutachtens auf Kosten des Nachlasses verlangen.[642] Ein Recht, die gutachterliche Untersuchung selbst vorzunehmen oder vornehmen zu lassen, hat er aber nicht. Der Erbe hat nicht nur die Pflicht, sondern auch das Recht, die Wertermittlung in eigener Verantwortung durchzuführen.[643]

 

Rz. 212

Gegenstand der Bewertung ist sowohl der reale als auch der fiktive Nachlass.[644] Ein evtl. vorzulegendes Gutachten muss sich auf den Verkehrswert des Nachlassvermögens zum Stichtag beziehen. Kommen mehrere Bewertungsmethoden in Betracht, hat sich der Gutachter mit diesen auseinanderzusetzen und die Ergebnisse ggf. alternativ darzustellen.[645] Bei der Bewertung von Gegenständen des fiktiven Nachlasses ist das Niederstwertprinzip zu beachten[646] (zum Pflichtteilsergänzungsanspruch siehe auch Rdn 269 ff.).

[638] OLG Brandenburg ZErb 2004, 132, 133; BGH NJW 1984, 487, 488; OLG Frankfurt NJW-RR 1994, 8; OLG Schleswig NJW 1972, 586; Coing, NJW 1983, 1298; Staudinger/Herzog, § 2314 Rn 58.
[639] Vgl. hierzu ausf. Tanck, in: Mayer/Süß/Tanck/Bittler, HB Pflichtteilsrecht, § 14 Rn 166 unter Hinweis auf BGH FamRZ 1985, 1249.
[640] BGH JZ 1952, 492; OLG Oldenburg NJW 1974, 2093.
[641] BGH FamRZ 1965, 135, 136; OLG Oldenburg NJW 1974, 2093; OLG Düsseldorf FamRZ 1997, 58, 59. Der Umfang der Informationspflichten ist vor diesem Hintergrund auch von dem der Bewertung zugrunde zu legenden Verfahren abhängig. So sind, wenn die Bewertung z.B. eines gewerblichen Unternehmens oder einer Immobilie nach dem Ertragswertverfahren vorgenommen werden muss, alle hierzu benötigten Angaben vom Wertermittlungsanspruch umfasst, vgl. OLG Oldenburg NJW 1974, 2093; Coing, NJW 1983, 1298, 1300; Soergel/Dieckmann, § 2314 Rn 29; Staudinger/Herzog, § 2314 Rn 60.
[642] BGH NJW 1989, 856; BGH NJW 1975, 258, 259; BGHZ 89, 24, 29; OLG München NJW 1974, 2094; Staudinger/Herzog, § 2314 m.w.N. Der Anspruch auf Vorlage eines Gutachtens besteht auch dann, wenn in engem zeitlichem Zusammenhang mit dem Erbfall ein tatsächlicher Verkaufserlös erzielt wurde, vgl. OLG Frankfurt ZEV 2011, 379.
[643] So auch Staudinger/Herzog, § 2314 Rn 62; ein Anspruch auf die Beauftragung eines "öffentlich vereidigten" Sachverständigen besteht nicht, Bissmaier, ZEV 1997, 149 f.
[644] Nach Ansicht des BGH (BGH v. 9.11.1983 – IVa ZR 151/82, NJW 1984, 487) aber nur, soweit ein schutzwürdiges Interesse auf Wertermittlung geltend gemacht werden kann Damrau/Tanck/Riedel, PK Erbrecht, § 2314 Rn 35.
[645] KG OLGReport 1999, 90; Staudinger/Herzog, § 2314 Rn 64.
[646] BGHZ 107, 200, 202; OLG Brandenburg FamRZ 1998, 1265, 1266.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge