1. Entzug der Fahrerlaubnis beruhte auf BAK unter 1,6 Promille; Verhältnis § 13 Nr. 2 lit. c FeV zu § 11 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 FeV

 

Rz. 24

Im Falle der Neuerteilung nach vorherigem Entzug der FE stellt sich die Frage, ob über § 13 Nr. d FeV nur an den Promillewert des § 13 Nr. c FeV angeknüpft werden kann, d.h., dass der Entzug der FE auf einer Trunkenheitsfahrt mit einer BAK von 1,6 Promille und mehr beruhen musste, oder ob über die über § 20 Abs. 3 FeV mögliche Ermessensvorschrift des § 11 Abs. 3 S. 1 Nr. 5b FeV auch niedrigere Promillewerte ausreichen, um ein medizinisch-psychologisches Gutachten zu verlangen.

 

Rz. 25

Bei der Wiedererteilung einer FE, die wegen einer vorangegangenen Trunkenheitsfahrt unter 1,6 Promille Blutalkohol oder 0,8 mg/l Atemalkohol entzogen worden war, darf ohne Hinzutreten weiterer Umstände ein medizinisch-psychologisches Gutachten nicht nach § 13 Nr. 2a FeV gefordert werden: Aus den Regelungen des § 13 Nr. 2b und c FeV folgt, dass nach dem Willen des Verordnungsgebers ein einmaliges Fahren unter Alkoholeinfluss erst dann die Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens folgt, wenn die in § 13 Nr. 2b und c FeV normativ festgelegten Grenzwerte von 1,6 Promille Blutalkohol oder 0,8 mg/l Atemalkohol erreicht werden. Werden diese Werte bei einer einmaligen Verkehrsteilnahme nicht erreicht, ist die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nicht gerechtfertigt. Es hätte der Festlegung der genannten Grenzwerte nicht bedurft, wenn über den Umweg des § 13 Nr. 2a FeV auch schon bei einmaligen Alkoholfahrten mit niedrigeren Blutwerten zu rechtfertigen wäre.[15] Wird in einem solchen Fall zu Unrecht die Wiedererteilung einer FE abgelehnt, so kann im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO die Verpflichtung erlangt werden, dem Betroffenen vorläufig eine FE zu erteilen (vgl. auch § 6 Rdn 41).[16]

 

Rz. 26

In der neueren Rechtsprechung[17] wird die Auffassung vertreten, dass bei einem strafgerichtlichen Entzug der FE die Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen festgestellt worden ist.

Dem ist aber entgegen zu treten. Es hätte der Festlegung des Grenzwerts von 1,6 Promille BAK in § 13 Nr. 2 lit. c FeV nicht bedurft, wenn entsprechende Eignungszweifel über § 13 Nr. 2 lit. a FeV zu rechtfertigen wären.[18] Neu ist, dass diese Ansicht meint, sich auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts[19] stützen zu können. Das ist jedoch nicht überzeugend. Denn in dem zitierten Beschluss ist nichts zum Verhältnis von § 13 Nr. 2 lit. d FeV und § 13 Nr. 2 lit. a FeV, dem eigentlichen Kernproblem, ausgesagt. Dort ist lediglich festgehalten, dass der in § 13 S. 1 Nr. 2 lit. d FeV genannte Entzug auch den Entzug im strafgerichtlichen Verfahren umfasst.

Die Ansicht, dass bei einem strafgerichtlichen Entzug aufgrund einer einmaligen Trunkenheitsfahrt unter 1,6 Promille BAK der Tatbestand des § 13 S. 1 Nr. 2 lit. a FeV festgestellt sei ("Tatbestandswirkung"), ist abzulehnen. Zum einen wird damit § 13 S. 1 Nr. 2 lit. a FeV als Auffangtatbestand angesehen, was diese Norm aber nicht ist.[20] Zum anderen hätte es – wie oben bereits dargestellt – der Festlegung des Grenzwerts von 1,6 Promille BAK in § 13 Satz 1 Nr. 2 lit. c FeV nicht bedurft, wenn entsprechende Eignungszweifel über § 13 S. 1 Nr. 2 lit. a FeV zu rechtfertigen wären. Für § 13 S. 1 Nr. 2 lit. d FeV bleibe schließlich im Neuerteilungsverfahren kaum ein Anwendungsbereich, da eine einmalige Trunkenheitsfahrt ab einer BAK von 1,1 Promille für den Inhaber einer FE grundsätzlich zu deren Entziehung im Strafverfahren führt. Im Übrigen würde das zu willkürlichen Ergebnissen führen: Bei einer Trunkenheitsfahrt zwischen 1,1 und 1,6 Promille würde das Strafgericht eine isolierte Sperrfrist nach § 69a Abs. 1 S. 3 StGB verhängen. Ein solcher Fall wäre aber auf nach der Auffassung des VGH Mannheim und des OVG Mecklenburg-Vorpommern nicht von § 13 S. 1 Nr. 2 lit. d FeV erfasst.[21] Schließlich ist ein Alkoholmissbrauch im Sinne der Fahrerlaubnis-Verordnung in Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV in einer Legaldefinition umschrieben. Ein Alkoholmissbrauch liegt danach vor, wenn das Führen eines Kraftfahrzeugs und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden. Fachlich eingehender ist das in Nr. 3.13.1 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahrereignung[22] beschrieben. Der repressive Charakter des Entzugs der FE als Maßregel der Besserung und Sicherung (§ 61 Nr. 5 StGB) muss von den Voraussetzungen für die Anordnung einer MPU im Rahmen der Gefahrenabwehr auf Grundlage der Fahrerlaubnis-Verordnung unterschieden werden. Denn der Entzug der FE im Strafverfahren hat eine Gesamtwürdigung der Täterpersönlichkeit, die in der Tat zum Ausdruck gekommen ist, zum Ausgangspunkt. Aus der Anlasstat werden Rückschlüsse gezogen, dass der Täter bereit ist, die Sicherheit des Straßenverkehrs seinen eigenen (kriminellen) Zielen unterzuordnen.[23]

Die gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 17.11.2015[24] zugelassene Revision wurde eingelegt. Die höchstrichterliche Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht ist abz...

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