Rz. 39
(a) Kein mittelbarer Zusammenhang mit dem Straßenverkehr kann angenommen werden, wenn ohne jeden Bezug zum Straßenverkehr eine erhebliche Alkoholmenge konsumiert wurde
Das gilt etwa im Fall eines Ehestreits, wenn eine Frau mit einer erheblichen Alkoholmenge (AAK 1,2 mg/L) auf der Straße randaliert[60] oder wenn im Rahmen eines Ehestreits der alkoholisierte Ehemann als Beifahrer der nicht alkoholisierten Ehefrau unvermittelt streitbedingt ins Lenkrad greift.[61] Denn es sind keine Umstände gegeben, die den Schluss nahelegen, dass zukünftig nach einem erheblichen Alkoholkonsum eine Verkehrsteilnahme erfolgen könnte. Beim Greifen in das Lenkrad war die Affektbezogenheit ausschlaggebend, nicht die Alkoholisierung. Der mittelbare Bezug zum Straßenverkehr ist dabei nicht zu überdehnen. Es kommt maßgeblich darauf an, ob Umstände bestehen, die befürchten lassen, dass sich die außerhalb des Straßenverkehrs gezeigte Alkoholisierung später im Straßenverkehr realisieren werde. Auch wenn ein Führerscheininhaber nach früherer Alkoholauffälligkeit mit damaligem Entzug der FE nach Wiedererteilung sich erneut auffällig verhält, jedoch außerhalb des Straßenverkehrs, wobei die Auffälligkeiten auch auf einer krankheitsbedingten Medikamenteneinnahme beruhen können und bei zwei Verkehrskontrollen keine Anzeichen für eine Alkoholisierung gefunden wurden, ist die Forderung nach einer medizinisch-psychologischen Untersuchung nicht gerechtfertigt.[62]
Rz. 40
Die bloße hohe Alkoholintoxikation ohne jeden Bezug zum Straßenverkehr begründet keinen Gefahrenverdacht, der Führerscheininhaber werde einen die Fahrsicherheit gefährdenden Alkoholkonsum und die Teilnahme am Straßenverkehr zukünftig nicht trennen.[63] Aus dem Umstand, dass eine Person eine FE besitzt, darf nicht die Pflicht auferlegt werden, auch ohne jeden Bezug zum Straßenverkehr den Alkoholkonsum jederzeit unter Kontrolle zu halten. Das wäre eine unverhältnismäßige Einschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 GG). Insoweit ist auch immer der Grundsatz "in dubio pro libertate" zu berücksichtigen, der eine zu weitgehende Einschränkung der Freiheitsrechte unterbindet. Dementsprechend lehnen das OVG Saarland[64] und der HessVGH[65] wie auch Stimmen aus der Literatur[66] Maßnahmen aufgrund § 13 Nr. 2a Alt. 2 FeV ab, wenn sie auf nicht im Zusammenhang mit dem Führen eines Kfz stehenden Alkoholgenuss gestützt werden.
Rz. 41
(b) Unter einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder 0,8 mg/l Atemalkohol darf ohne Hinzutreten weiterer Umstände nicht nach § 13 Nr. 2a FeV ein medizinisch-psychologisches Gutachten gefordert werden
Aus den Regelungen des § 13 Nr. 2b und c FeV folgt, dass nach dem Willen des Verordnungsgebers ein einmaliges Fahren unter Alkoholeinfluss erst dann die Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zur Folge hat, wenn die in § 13 Nr. 2b und c FeV normativ festgelegten Grenzwerte von 1,6 Promille Blutalkohol oder 0,8 mg/L Atemalkohol erreicht werden. Werden diese Werte bei einer einmaligen alkoholisierten Verkehrsteilnahme nicht erreicht, ist die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nicht gerechtfertigt. Es hätte der Festlegung der genannten Grenzwerte nicht bedurft, wenn über den Umweg des § 13 Nr. 2a FeV dies auch schon bei einmaligen Alkoholfahrten mit niedrigeren Blutwerten zu rechtfertigen wäre.[67]
Das gilt auch bei der Wiedererteilung einer FE, die wegen einer vorangegangenen Trunkenheitsfahrt unter 1,6 Promille Blutalkohol oder 0,8 mg/L Atemalkohol entzogen worden war. Wird in einem solchen Fall zu Unrecht die Wiedererteilung einer FE abgelehnt, so kann im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO die Verpflichtung erlangt werden, dem Betroffenen vorläufig eine FE zu erteilen.[68] Siehe allerdings zur neueren Rechtsprechung bei vorangegangenem Entzug der FE aufgrund der Alkoholfahrt Rdn 57 ff.
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