Rz. 175

Wenig Beachtung findet die Frage, wie sich das Abschlussschreiben zur Abmahnung verhält. Beides sind außergerichtliche Tätigkeiten, die eine Geschäftsgebühr auslösen. In beiden Fällen ist der Gegenstand derselbe, nämlich der Hauptsacheanspruch. Daher ist insoweit von derselben Angelegenheit i.S.d. § 15 RVG auszugehen.[64] Mit dem Abschlussschreiben wird die außergerichtliche Vertretung hinsichtlich der Hauptsache wieder aufgenommen und dem Verfügungsgegner nochmals Gelegenheit gegeben, die Sache ohne Hauptsacheprozess aus der Welt zu schaffen. Bei dem Abschlussschreiben handelt es sich folglich nicht um einen neuen Auftrag, sondern nur um den Auftrag, in der Hauptsache weiter tätig zu werden. Die Gebühren entstehen daher nicht erneut (§ 15 Abs. 5 S. 1 RVG).[65] Allerdings wird das Abschlussschreiben dazu führen, dass sich der Gebührensatz der außergerichtlichen Vertretung erhöht.

 

Beispiel 96: Außergerichtliches Abschlussschreiben nach Abmahnung und Verfügungsverfahren

Der Anwalt mahnt den Gegner zunächst ab (Wert der Hauptsache: 30.000,00 EUR). Da der Gegner nicht reagiert, beantragt der Anwalt den Erlass einer einstweiligen Verfügung (Wert: 7.500,00 EUR), die der Anwalt für seinen Mandanten im Beschlussverfahren ohne mündliche Verhandlung erwirkt. Hiernach fordert er auftragsgemäß den Antragsgegner außergerichtlich auf, den Verfügungsanspruch anzuerkennen und auf seine Rechte gegen die Verfügung zu verzichten, was dann auch geschieht.

Für das Verfügungsverfahren entsteht die Gebühr nach Nr. 3100 VV aus dem Wert von 7.500,00 EUR. Für die Abmahnung ist eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV aus dem Wert der Hauptsache, also aus 30.000,00 EUR entstanden. Hier soll von der Mittelgebühr ausgegangen werden. Durch die Wiederaufnahme der außergerichtlichen Vertretung entsteht keine weitere Geschäftsgebühr. Die Tätigkeit betreffend das Abschlussschreiben stellt sich vielmehr als Fortsetzung der außergerichtlichen Vertretung dar und führt lediglich zu einer Erhöhung des Gebührensatzes, der hier leicht überdurchschnittlich mit 1,8 angenommen werden soll.

 
I. Außergerichtliche Vertretung betreffend Abmahnung und Abschlussschreiben
1. 1,8-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV   1.719,00 EUR
  (Wert: 30.000,00 EUR)    
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.739,00 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   330,41 EUR
Gesamt   2.069,41 EUR
II. Verfügungsverfahren
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV   652,60 EUR
  (Wert: 7.500,00 EUR)    
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 672,60 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   127,79 EUR
Gesamt   800,39 EUR

Hatte der Anwalt die 1,5-Geschäftsgebühr für die Abmahnung bereits abgerechnet, muss diese Vergütung in der Schlussrechnung gutgeschrieben werden.

 
I. Abmahnung
1. 1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV   1.432,50 EUR
  (Wert: 30.000,00 EUR)    
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.452,50 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   275,98 EUR
Gesamt   1.728,48 EUR
II. Verfügungsverfahren
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV   652,60 EUR
  (Wert: 7.500,00 EUR)    
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 672,60 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   127,79 EUR
Gesamt   800,39 EUR
III. Abschlussschreiben
1. 1,8-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV   1.719,00 EUR
  (Wert: 30.000,00 EUR)    
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
3. ./. für Abmahnung bereits abgerechneter (netto)   – 1.432,50 EUR
  Zwischensumme 306,50 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   58,24 EUR
Gesamt   364,74 EUR
[65] Unzutreffend Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, Anhang II Rn 193 u. § 15 Rn 24 u. Weber, in: Münchener Anwaltshandbuch Vergütungsrecht, § 11 Rn 50, die hier von zwei Angelegenheiten ausgehen und zwei Geschäftsgebühren ansetzen wollen, eine für die Abmahnung und eine für die Aufforderung zur Abschlusserklärung.

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