Entscheidungsstichwort (Thema)

Veröffentlichung von Fotos vom Einkaufsbummel einer langjährigen Ministerpräsidentin

 

Normenkette

KUG § 22 S. 1; GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1; BGB § 1004 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 22.11.2005; Aktenzeichen 27 O 787/05)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 24.06.2008; Aktenzeichen VI ZR 156/06)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 22.11.2005 verkündete Teilurteil des LG Berlin - 27 O 787/05 - teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen, welche Bildnisse sie von der Klägerin in Besitz hat, die sie auf Grund der von der Beklagten erteilten Aufträge, die Klägerin zu beobachten und zu fotografieren, am 28.4.2005 durch die Personen H.-J.K., T.K. und B.B. erhalten hat. Die weiter gehende Auskunftsklage und die Unterlassungsklage werden abgewiesen.

2. Die Beklagte wird weiter verurteilt, die Klägerin von der Inanspruchnahme durch die Rechtsanwälte E. und Dr. K. i.H.v. 800,79 EUR freizustellen. In Höhe von 1.419,11 EUR wird die Freistellungsklage abgewiesen.

Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin 93 % und die Beklagte 7 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, und zwar hinsichtlich des Tenors zu 1) gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 1.250 EUR. Im Übrigen kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abgewendet werden, wenn nicht der jeweilige Gegner vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Beklagte veröffentlichte Fotos, welche die Klägerin nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt der Ministerpräsidentin am 27.4.2005 beim Einkaufen zeigen, und ließ auch am Folgetag Fotografen vor dem Haus der Klägerin warten und hinter ihr herfahren. Mit dem angefochtenen Teilurteil hat das LG der Beklagten untersagt, Bildnisse von der Klägerin bei privaten Einkäufen am 27.4.2005 zu verbreiten, wie in der "Bild"-Zeitung vom 28.4.2005 geschehen, und hat die Beklagte verurteilt, die Klägerin von 2.219,90 EUR Anwaltskosten freizustellen sowie ihr Auskunft zu erteilen, welche Bildnisse der Klägerin vom 27.4.2005 ab 16.40 Uhr und vom 28.4.2005 die Beklagte von drei von ihr beauftragten Fotografen erhalten und in Besitz hat. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und der Anträge in erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Mit der Berufung wendet sich die Beklagte gegen ihre Verurteilung und macht geltend:

Die Klägerin sei als langjährige Ministerpräsidentin und erste weibliche Inhaberin eines solchen Amtes in der Bundesrepublik Deutschland eine absolute Person der Zeitgeschichte und eine Leitfigur und habe sich in der Vergangenheit immer wieder bereitwillig ablichten lassen. Informationsinteressen der Öffentlichkeit seien gerade bei Personen des politischen Lebens über ihren eigentlichen Wirkungskreis hinaus anzuerkennen, auch was das Verhalten nach einem abrupten Karriereende angehe. Die persönliche Reaktion der Klägerin auf ihre Abwahl sei zeitgeschichtliches Geschehen. Eine Ministerpräsidentin habe es an einem solchen Tag hinzunehmen, bei einem anschließenden Bummel durch ein Einkaufszentrum - also nach der Rechtsprechung des BVerfG außerhalb der Privatsphäre - fotografiert zu werden, zumal sie sich auf Staatskosten mit Dienstlimousinen und Personenschutzbeamten dorthin begeben habe. Ferner sei die Unverfänglichkeit der Fotos zu berücksichtigen und dass die medienerfahrene Klägerin den Fotografen nicht ihr Missfallen über die Anfertigung der Fotos ausgedrückt habe. Das LG hätte nicht unterstellen dürfen, dass sich die Fotografen durch ausdrückliche Aufforderungen nicht von einer Begleitung der Klägerin im Einkaufszentrum abbringen ließen.

Eine Herausgabe oder Vernichtung von Fotos komme unter Berücksichtigung der Pressefreiheit nur bei einem gravierenden Rechtsverstoß bei der Bildniserlangung oder einer schweren Beeinträchtigung der Persönlichkeitsinteressen in Betracht, nämlich wenn zweifelsfrei feststehe, dass die Verbreitung des Bildmaterials zeitlich unbegrenzt - selbst nach dem Tod des Betroffenen - und unter allen denkbaren Umständen unzulässig ist, was regelmäßig nur bei Bildern aus der Intimsphäre angenommen werden könne. Die Recherchen zum Verhalten der Klägerin seien auch am Folgetag, als ihr erstmals weder Dienstwagen noch Personenschützer mehr zur Verfügung standen, durch ein gesteigertes Interesse der Öffentlichkeit an ihrem Übergang vom politischen Akteur zum Privatier gerechtfertigt, zumal die Teilnahme der Klägerin am Straßenverkehr zur Sozialsphäre gehöre. Die Klägerin suche weiterhin in vielfältiger Weise die Medien und könne daher nicht beanspruchen, im Übrigen von der Öffentlichkeit völlig unbeobachtet zu bleiben, jedenfalls was ihr Verhalten im öffentlichen Raum im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit ihrem Rücktritt angehe.

Hinsichtlich der Kosten des Abschlussschreibens vom...

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