Rz. 72

Gem. § 5 AGG sind positive Maßnahmen, die eine Ungleichbehandlung beinhalten, zulässig, wenn dadurch bestehende Nachteile tatsächlicher oder struktureller Art wegen eines in § 1 AGG genannten Merkmales verhindert oder ausgeglichen werden. Positive Maßnahmen sind demnach sowohl präventiv als auch repressiv möglich. Sie müssen nach dem objektiven Maßstab angemessen und geeignet sein und bedürfen der Abwägung mit den Rechtspositionen des im konkreten Fall von ihnen negativ Betroffenen (BT-Drucks 16/1780, 34). Positive Maßnahmen dienen der Förderung bisher benachteiligter Gruppen (BAG v. 18.11.2008 – 9 AZR 643/07, MüKo-BGB/Thüsing, AGG, § 5 Rn 5). So sind z.B. Frauenförderungsprogramme – bei denen unter der Voraussetzung der gleichen Eignung das tatsächlich unterrepräsentierte Geschlecht bevorzugt werden soll –, Förderungsprogramme für ältere Arbeitnehmer – wie z.B. zusätzlicher Urlaub – und Programme für Behinderte zulässig (Bauer/Göpfert/Krieger, s.o., § 5 Rn 7). Hierbei ist aber zweifelhaft, ob Fördermaßnahmen für behinderte Menschen ebenfalls unter § 5 AGG fallen, weil nicht behinderte Menschen nach der Struktur des Gesetzes eigentlich nicht benachteiligt werden können (Bauer/Göpfert/Krieger, s.o., § 5 Rn 6). Die Rspr. des EuGH zum Coleman-Fall ändert nichts an der Verpflichtung des Arbeitgebers lediglich angemessene Vorkehrungen für Menschen mit Behinderungen zu treffen. Trotz der Möglichkeit einer Benachteiligung aufgrund einer drittbezogenen Behinderung beschränken sich die positiven Maßnahmen lediglich auf Arbeitnehmer, die selbst behindert sind. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet z.B. die Arbeitszeit von Arbeitnehmern mit behinderten Kindern besonders flexibel zu gestalten oder Vorkehrungen zugunsten von behinderten Personen zu treffen, die dem Arbeitnehmer nahestehen (EuGH v. 17.7.2008 – C 303/06; Bayreuther, NZA 2008, 986, 987).

 

Rz. 73

Positive Maßnahmen sollen nicht nur durch den Gesetzgeber erfolgen, sondern sowohl durch den Arbeitgeber durch Tarifvertrags- und Betriebspartner als auch durch Parteien eines privatrechtlichen Vertrages (BT-Drucks 16/1780, 34).

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge