Rz. 57

Mit dem Wegfall des § 2332 Abs. 1 BGB a.F. zum 1.1.2010 gilt grundsätzlich für pflichtteilsrechtliche Ansprüche die regelmäßige Verjährungsfrist nach § 195 BGB von drei Jahren. Die relativ kurze Verjährungsfrist dient dazu, eine rasche Klärung und eine schnelle, endgültige Abwicklung des Nachlasses herbeizuführen. Spätestens verjähren Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche in 30 Jahren nach § 199 Abs. 3a BGB.

 

Rz. 58

Die Verjährungsfrist beginnt gem. § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Pflichtteilsberechtigte von seinem Pflichtteilsanspruch und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat bzw. ohne grobe Fahrlässigkeit Kenntnis erlangen müsste.

Nur die Verjährungsfrist des dem Pflichtteilsberechtigten nach § 2329 BGB gegen den Beschenkten zustehenden Anspruchs beginnt nach wie vor mit dem Erbfall, § 2332 Abs. 1 BGB.

 

Rz. 59

Der Auskunftsanspruch nach § 2314 BGB unterliegt der Regelverjährung des § 195 BGB.

Die Verjährungshöchstfrist ist für kenntnisabhängige und kenntnisunabhängige Ansprüche auf 30 Jahre ab Entstehung des Anspruchs festgesetzt, § 199 Abs. 3a BGB.

 

Rz. 60

Probleme, die sich nach alter Rechtslage aus der unterschiedlichen Verjährung von Pflichtteilsleistungsansprüchen und Auskunftsansprüchen ergaben, stellen sich nach neuem Recht nicht mehr, da beide Ansprüche einheitlich der Verjährung des § 195 BGB unterliegen.

 

Rz. 61

Der Beginn der Verjährungsfrist setzt Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis vom Erbfall, von der beeinträchtigenden letztwilligen Verfügung und vom Schuldner, also dem Erben, voraus. Eine beeinträchtigende Verfügung kann sowohl eine letztwillige Verfügung von Todes wegen sein als auch eine Verfügung unter Lebenden (eine unentgeltliche Zuwendung, etwa eine Schenkung). Bezüglich des Pflichtteilsergänzungsanspruchs muss der Pflichtteilsberechtigte jedoch zusätzlich auch Kenntnis (bzw. grob fahrlässige Unkenntnis) von der ihn beeinträchtigenden Verfügung zu Lebzeiten haben. Aus der Verjährung des Pflichtteilsanspruchs folgt daher nicht notwendig auch die Verjährung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs.[48] Die positive Kenntniserlangung bzw. grob fahrlässige Unkenntnis ist notwendig für den Beginn der Verjährungsfrist des Pflichtteilsanspruchs und Pflichtteilsergänzungsanspruchs gegen den Erben,[49] weil erst dann vom Berechtigten erwartet werden kann, dass er zur Durchsetzung seines Rechts tätig wird.[50]

 

Rz. 62

Richtet sich der Pflichtteilsergänzungsanspruch gegen den Beschenkten (§ 2329 BGB), so beginnt die Frist ohne Rücksicht auf die Kenntnis der beeinträchtigenden Verfügung unter Lebenden bereits mit dem Zeitpunkt des Erbfalls (§ 2332 Abs. 1 BGB).[51] In diesem Fall ist es unerheblich, ob der Beschenkte auch gleichzeitig Erbe ist. Der Beschenkte ist insoweit besser gestellt als der Erbe; er ist ja auch gewissermaßen nur "Ersatzschuldner" des Pflichtteilsergänzungsanspruchs. Der Pflichtteilsanspruch und der Pflichtteilsergänzungsanspruch sind grundsätzlich als zwei eigenständige, voneinander unabhängige Ansprüche – allerdings mit der gleichen Zielrichtung – anzusehen und deshalb auch getrennt zu untersuchen. Von der kurzen und kenntnisunabhängigen Verjährungsfrist ist auch aufgrund der sog. "Rechtsausübungssperre des § 1600d Abs. 5 BGB abzuweichen. Diese führt nicht dazu, dass der Beginn der Verjährungsfrist bis zur rechtskräftigen Feststellung der Vaterschaft hinauszuschieben ist".[52]

[48] OLG München FamRZ 2022, 905.
[49] BGH NJW 1964, 297.
[50] BGH LM § 2332 Nr. 1: Fahrlässige Unkenntnis genügt nicht, um die Verjährungsfrist auszulösen, wenn der Pflichtteilsberechtigte zwar die Existenz eines Testaments, aber nicht den Inhalt kennt, auch dann nicht, wenn er den Inhalt hätte in Erfahrung bringen können.
[51] BGH FamRZ 1968, 150; BGH JR 1986, 110.

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