Rz. 2

Nach § 60 Abs. 1 S. 1 RVG kommt es auf den "unbedingten Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit i.S.d. § 15" an. Dies gilt gem. § 60 Abs. 1 S. 3 auch dann, wenn Vorschriften geändert werden, auf die das RVG verweist.

 

Rz. 3

 

Beispiel 1

Der Anwalt schreibt auftragsgemäß am 20.7.2013 an den Schuldner seines Mandanten, dieser solle bis längstens 10.8.2013 bezahlen. Wenn er nicht bezahlt, habe der Anwalt jetzt schon den Auftrag, gerichtlich gegen ihn vorzugehen.

Lösung

Das außergerichtliche Mandat war unbedingt vor dem 1.8.2013 erteilt, die Geschäftsgebühr fällt nach altem Recht an; der Verfahrensauftrag war bedingt durch die Nichtzahlung des Schuldners bis 10.8.2013 erteilt. Wenn der Schuldner bezahlt hat, kommt es nicht zum Verfahren; wenn der Schuldner nicht bezahlt hat, richtet sich ein Verfahren nach neuem Kostenrecht, weil die Bedingung, unter der der Verfahrensauftrag stand, erst durch die Nichtzahlung bis Ablauf des 10.8.2013 erfüllt ist.

 

Beispiel 2

Das Scheidungsverfahren wird auftragsgemäß im Mai 2013 anhängig gemacht. Es ist im Herbst 2014 immer noch nicht entschieden, weil nicht nur im Juli 2013 der nacheheliche Unterhalt, sondern auch noch im Mai 2014 der Zugewinnausgleich im Verbund anhängig gemacht wurden.

Lösung

Für alle Verfahren im Verbund gilt altes Recht, weil alle Verbundsachen ein und dieselbe Angelegenheit sind (§ 16 Nr. 4 RVG i.V.m. § 60 Abs. 1 S. 1 RVG); über § 60 Abs. 2 wäre das Ergebnis ebenso zu begründen, weil die Werte im Verbund zu addieren sind (§ 15 Abs. 2 RVG, § 44 Abs. 1 FamGKG). Auch das Zugewinnverfahren wird also, obwohl es erst im Mai 2014 anhängig gemacht wurde, nach altem Recht berechnet.

 

Beispiel 3

Es sind vor dem 1.8.2013 die einstweilige Anordnung, nach dem 31.7.2013 das Hauptsacheverfahren anhängig gemacht worden.

Lösung

Für das Eilverfahren gilt altes Recht, für das Hauptsacheverfahren neues Recht. Es handelt sich um zwei selbstständige Angelegenheiten.

 

Beispiel 4

Das Scheidungsverfahren beginnt im Juli 2014. Der Zugewinnausgleich wird im Verbund geltend gemacht. über diesen Zugewinn war schon im außergerichtlichen Mandat seit Frühjahr 2013 korrespondiert worden.

Lösung

Die außergerichtliche Tätigkeit wird nach altem Recht, der gesamte Verbund einschl. Zugewinnausgleich nach neuem Recht abgerechnet.

Zur Anrechnung der Geschäftsgebühr gem. Vorb. 4 VV RVG:

Die Anwaltsgebühren, nach denen die Geschäftsgebühr verdient wurde, waren geringer als die Gebühren, die für Scheidung und Folgesachen verdient werden. Da nicht mehr angerechnet werden braucht, als der Anwalt wirklich bekommen hat, werden also ½ maximal 0,75 aus der Geschäftsgebühr, berechnet nach altem Recht, auf den Verbund angerechnet.

 

Beispiel 5

Folgender Ausnahmefall:

Zwischen den Werten von 900,00 EUR und 1.000,00 EUR sind die Gebühren geringer geworden. Das könnte in den Fällen nicht nur des selbstständigen Beweisverfahrens, Vorb. 3 Abs. 5 VV RVG, sondern auch in den Anrechnungsfällen gem. Nr. 3100 Abs. 1–3 VV RVG bedeuten, dass der Anrechnungsbetrag höher als die verdiente Verfahrensgebühr ist.[1] Nach dem Grundsatz, dass nicht mehr angerechnet werden kann als die Gebühr ausmacht, auf die angerechnet wird, ist also die Anrechnung der Höhe nach begrenzt.

 

Beispiel 6

Der Scheidungsantrag wird vor dem 1.8.2013 beim Anwalt in Auftrag gegeben, der Anwalt reicht den Antrag nach dem 31.7.2013 bei Gericht ein. Es handelt sich um einen Fall des Mindestwerts im Eheverfahren (§ 43 Abs. 1 S. 2 FamGKG).

Lösung

Für die Gerichtskosten gilt der neue Mindestwert von 3.000,00 EUR (§ 63 Abs. 1 S. 1 FamGKG), weil der Antrag nach dem Stichtag eingereicht wurde. Für die Anwaltsgebühren gilt der alte Mindestwert von 2.000,00 EUR, weil der Auftrag vor dem Stichtag erteilt worden ist. Anwaltsgebühren und Gerichtsgebühren stimmen also nicht überein. Es bleibt dabei, dass altes Recht für die Anwaltsgebühren anzuwenden ist.[2]

In den Fällen, in denen sich der Verfahrenswert nach § 42 Abs. 3 FamGKG richtet, der gleichfalls geändert ist (5.000,00 EUR statt früher 4.000,00 EUR), gilt derselbe Grundsatz.

 

Beispiel 7

Ein Unterhaltsverfahren über Trennungsunterhalt ist anhängig vor dem Stichtag. Nach dem Stichtag wird

(1) der Anspruch auf Getrenntlebensunterhalt erhöht,
(2) zusätzlich in diesem Verfahren der nacheheliche Ehegattenunterhalt geltend gemacht.

Lösung

Im Fall (1) liegt eine Auftragserweiterung vor, es ist altes Recht anzuwenden.[3]

Im Fall (2) liegt ein neuer Auftrag vor, weil eine andere Art von Unterhalt geltend gemacht wird, also ein neuer gebührenrechtlicher Gegenstand; es gilt aber § 60 Abs. 2 RVG: Die Werte von Getrenntlebensunterhalt und nachehelichem Unterhalt sind zusammenzurechnen. Es gilt also altes Recht, weil der Getrenntlebensunterhalt unter altem Recht unbedingt in Auftrag gegeben war.

[1] Rechenbeispiel N. Schneider, AGS 2013, 501, 502.
[2] Gerold/Schmidt/Mayer, § 60 Rn 40; AnwK-RVG/N. Schneider, 7. Auflage, § 61 Rn 113 ff.
[3] AnwK-RVG/N. Schneider, § 60 Rn 58 zur Klageerweiterung.

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