Rz. 40

Ein Anspruch auf uneingeschränkte Beiordnung des auswärtigen Anwalts besteht dann, wenn der bedürftige Beteiligte einen Anspruch auf Beiordnung eines Verkehrsanwalts nach § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. § 121 Abs. 4 ZPO oder nach § 78 Abs. 4 FamFG hat und die zu erwartenden Reisekosten die Mehrkosten eines Verkehrsanwalts nicht übersteigen.[43]

 

Rz. 41

Gleiches gilt, wenn der bedürftige Beteiligte einen Anspruch auf die zusätzliche Beiordnung eines Beweisanwalts hätte. Diese Variante hat in der Praxis allerdings keine Bedeutung, so dass hier nicht weiter darauf eingegangen wird. Soweit ein solcher Fall auftreten sollte, gilt das Gleiche wie beim Verkehrsanwalt.

 

Rz. 42

In diesen Fällen handelt es sich bei den Reisekosten nicht mehr um "weitere Kosten" i.S.d. § 121 Abs. 4 ZPO, also um nicht um Mehrkosten, weil durch die Beiordnung des auswärtigen Anwalts die Kosten eines zusätzlichen Verkehrsanwalts erspart werden,[44] der dann selbstverständlich nicht mehr beigeordnet werden kann, ebenso wenig wie ein Terminsvertreter.[45]

 

Beispiel 22: Reisekosten des auswärtigen Anwalts (uneingeschränkte Beiordnung)

Der in Hannover ansässige Antragsgegner wird vor dem FamG Köln auf Zahlung von 6.000,00 EUR in Anspruch genommen. Er beantragt Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung seines Hannoveraner Verfahrensbevollmächtigten.

Durch die Beiordnung eines Hannoveraner Verfahrensbevollmächtigten würden zwar Reisekosten entstehen, da dieser Anwalt von Hannover nach Köln zum Termin reisen müsste:

 
Fahrtkosten Pkw, Nr. 7003 VV, 2 × 295 km × 0,30 EUR/km   177,00 EUR
... Tage- und Abwesenheitsgeld, Nr. 7005 Nr. 3 VV   70,00 EUR
  Zwischensumme 247,00 EUR  

Dabei würde es sich jedoch nicht um Mehrkosten handeln. Hätte der Antragsgegner einen Verfahrensbevollmächtigten in Köln beauftragt, so hätte ihm nach § 76 Abs. 1 i.V.m. § 121 Abs. 4 ZPO; § 76 Abs. 4 FamFG zusätzlich ein Anspruch auf einen Verkehrsanwalt in Hannover zugestanden. Dafür wären angefallen:

 
1. 1,0-Verfahrensgebühr, Nrn. 3400, 3100 VV, § 49 RVG   267,00 EUR
  (Wert: 6.000,00 EUR)    
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 287,00 EUR  

Diese Verkehrsanwaltskosten werden jetzt aber dadurch erspart, dass der Verfahrensbevollmächtigte selbst zum Termin anreist. Folglich sind die Reisekosten in Höhe der ersparten Aufwendungen keine "Mehrkosten". Der Hannoveraner Anwalt muss uneingeschränkt beigeordnet werden.

 

Rz. 43

Umstritten ist, ob eine Beschränkung dahingehend zulässig ist, dass die Reisekosten nur bis zur Höhe der Mehrkosten eines Verkehrsanwalts aus der Landeskasse übernommen werden. Die Praxis verfährt überwiegend so,[46] allerdings zu Unrecht.[47] Das Gesetz sieht eine solche Einschränkung jedoch nicht vor. Damit wird das Prognoserisiko, dass die Reisekosten letztlich höher ausfallen als veranschlagt, unzulässiger Weise auf den bedürftigen Beteiligten verlagert.

 

Beispiel 23: Reisekosten des auswärtigen Anwalts (uneingeschränkte Beiordnung)

Wie vorangegangenes Beispiel 22; es kommt jedoch zu zwei Verhandlungsterminen.

Die Reisekosten des Hannoveraner Verfahrensbevollmächtigten berechnen sich jetzt wie folgt:

 

...
Fahrtkosten Pkw, Nr. 7003 VV, 2 × 295 km × 0,30 EUR/km (1. Termin)   177,00 EUR
... Tage- und Abwesenheitsgeld, Nr. 7005 Nr. 3 VV (1. Termin)   70,00 EUR

...
Fahrtkosten Pkw, Nr. 7003 VV, 2 × 295 km × 0,30 EUR/km (2. Termin)   177,00 EUR
... Tage- und Abwesenheitsgeld, Nr. 7005 Nr. 3 VV (2. Termin)   70,00 EUR
  Zwischensumme 494,00 EUR  
...      

Die Kosten eines Verkehrsanwalts lägen aber nach wie vor unverändert bei:

 
1. 1,0-Verfahrensgebühr, Nrn. 3400, 3100 VV, § 49 RVG   267,00 EUR
  (Wert: 6.000,00 EUR)    
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 287,00 EUR  
...      

Soweit man eine Beschränkung der aus der Landeskasse zu zahlenden Reisekosten auf die Kosten des Verkehrsanwalts zulässt, würde der Anwalt nur 287,00 EUR zuzüglich Umsatzsteuer erhalten. Zur Frage, ob er sich wegen des Fehlbetrags an den bedürftigen Beteiligten wenden kann, siehe Rdn 55 ff.

Soweit man eine Beschränkung auf die Kosten eines Verkehrsanwalts nicht zulässt, müsste die Landeskasse die gesamten Reisekosten übernehmen.

 

Rz. 44

Zutreffend ist die Auffassung, die eine einschränkende Beiordnung ablehnt. Das Gericht muss selbst kalkulieren, wie sich das Verfahren entwickelt. So spart die Landeskasse im Beispiel 22 einen Betrag in Höhe von 40,00 EUR gegenüber einem Verkehrsanwalt. Wäre es nicht zu einem Termin gekommen, etwa im Falle eines Vergleichs nach § 278 Abs. 6 ZPO, wären sogar die vollen Kosten des Verkehrsanwalts (287,00 EUR) eingespart worden. Im Beispiel 23 ergeben sich dagegen Mehrkosten in Höhe von 207,00 EUR gegenüber den Kosten eines Verkehrsanwalts. Dass die Reisekosten unterhalb der Kosten des Verkehrsanwalts liegen, dürfte der Regelfall sein, so dass die Staatskasse im Regelfall Geld spart, wenn der auswärtige Anwalt bereit ist, selbst zu reisen. Dann muss sie aber auch in den wenigen Ausnahmefällen, in denen die Re...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge