Rz. 142
In formeller Hinsicht muss die Abmahnung mit einer angemessenen Frist zur Abgabe der geforderten Unterlassungserklärung versehen sein. Der Streit, ob die Fristsetzung obligatorischer oder lediglich fakultativer Natur für die Abmahnung ist, ist eher rechtstheoretischer Natur, da bei fehlender oder zu kurz bemessener Frist ohnehin eine angemessene Frist in Lauf gesetzt wird. Die Länge der Frist hängt von einer Interessenabwägung im Einzelfall ab, wobei das Interesse des Abmahnenden an einer zeitnahen und vollständigen Beseitigung des Verstoßes dem Interesse des Abgemahnten an der Aufklärung und rechtlichen Bewertung des behaupteten Verstoßes gegenüberzustellen ist. Regelmäßig muss dem Abgemahnten drei bis zehn Tage Zeit gegeben werden, eine Entscheidung über die sachgerechte Reaktion zu treffen bzw. einen anwaltlichen Rat einzuholen. Bei besonderer Eilbedürftigkeit können im Einzelfall auch Stundenfristen angemessen sein.
Rz. 143
Des Weiteren müssen der Abmahnende und der Abgemahnte in der Abmahnung klar bezeichnet sein. Ein Formerfordernis ist gesetzlich nicht vorgeschrieben. Es empfiehlt sich aus Beweisgründen, die Abmahnung schriftlich abzufassen und sie postalisch, per Boten, Gerichtsvollzieher, Telefax, Telegramm, Fernschreiben oder E-Mail zu übermitteln.
Rz. 144
In der Praxis erfolgt die Abmahnung zumeist durch einen Rechtsanwalt. Hierbei stellt sich, ohne auf die Rechtsnatur der Abmahnung einzugehen, die umstrittene Frage, ob die Wirkungen der von einem Bevollmächtigten ausgesprochenen Abmahnung gem. § 174 BGB entfallen, wenn dieser keine Vollmacht beigefügt ist und der Schuldner die Abmahnung aus diesem Grund unverzüglich zurückweist. Während dies überwiegend verneint wurde, scheint sich ein Meinungswechsel anzudeuten.
Rz. 145
Tipp
Gleichwohl sollte vorsorglich die Abmahnung mit einer unterzeichneten Originalvollmacht versehen sein, soweit hierzu Zeit bleibt. Ggf. kann der Anspruchsteller bzw. der Abmahnende, auch wenn er sich eines Rechtsanwalts bedient, auf direktem Wege – etwa per Telefax – den Rechtsanwalt gegenüber dem Abgemahnten bevollmächtigen.
Rz. 146
Für die Wirksamkeit der Abmahnung ist erforderlich, dass diese dem Adressaten zugeht (§ 130 Abs. 1 S. 1 BGB), sodass dieser darauf reagieren kann und er nur im Falle zurechenbaren Untätigbleibens Anlass zur Klage gibt. Insoweit gelten die allgemeinen Regelungen, sodass die Abmahnung dann zugegangen ist, sobald sie derart in den Machtbereich des Adressaten gelangt ist, dass dieser unter gewöhnlichen Umständen vom Inhalt der Erklärung Kenntnis nehmen kann. Die Frage der Beweislast hinsichtlich des Zugangs der Abmahnung war im Wettbewerbsprozess bis zuletzt streitig. Während die überwiegende Auffassung die Beweislast auf Seiten des Schuldners sah, sprach sich die Gegenauffassung für eine Beweislast des Gläubigers aus. Der BGH hat zu dieser Frage nunmehr Stellung genommen und ausgeführt, dass den Beklagten grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast für die Tatbestandsvoraussetzungen der ihn begünstigenden Kostenregelung des § 93 ZPO und damit für den Nichtzugang der Abmahnung trifft. Da es sich bei diesem um eine negative Tatsache handelt, trifft den Kläger jedoch eine sekundäre Darlegungslast.