Rz. 55

Grundsätzlich gelten dieselben Beweislastgrundsätze wie im Hauptsacheverfahren.[96] Den Antragsteller trifft daher die Darlegungs- und Beweislast ("Glaubhaftmachungslast") für alle anspruchsbegründenden Tatsachen. Der Antragsgegner muss die tatsächlichen Voraussetzungen seiner Einwendungen und Einreden glaubhaft machen, wenn das Gericht mündliche Verhandlung anordnet oder ihm Gelegenheit zu einer schriftlichen Stellungnahme eingeräumt hat.[97] Ohne mündliche Verhandlung oder Gelegenheit zur Stellungnahme hat der Anspruchsteller nach h.M. auch die Einrede- und Einwendungsfreiheit seines Anspruchs glaubhaft zu machen, wenn sich aus seinem Vortrag Hinweise auf Einwendungen ergeben oder sich der Antragsgegner auf Einreden berufen hat.[98] Im Falle einer streitigen Verhandlung genügen gerade nicht mehr nur der Vortrag und die Glaubhaftmachungsmittel, die Grundlage des Anordnungsbeschlusses bezüglich der Durchführung einer mündlichen Verhandlung gewesen sind, wenn der Antragsgegner in der mündlichen Verhandlung berechtigt, also nicht "ins Blaue hinein", Fragen stellt oder Einwände erhebt, die die Entscheidungsproblematik nicht mehr auf den Bereich der Überzeugungsbildung des Gerichts hinsichtlich des tatsächlichen Geschehens begrenzen.

 

Rz. 56

 

Beispiel

Der Antragsteller hat zur Glaubhaftmachung seines Anspruchs Protokolle komplizierter technischer Untersuchungen beigebracht, deren Richtigkeit im Anordnungsverfahren – ohne mündliche Verhandlung – schlicht unterstellt wird. Stellt der Antragsgegner daraufhin in der mündlichen Verhandlung die Frage, ob die vom Antragsteller gewählte Art und Weise der Durchführung der Untersuchungen vom fachlichen Standpunkt her sachgerecht gewesen ist, weil die Protokolle hierüber keinen Aufschluss geben, insbesondere die Art und die rechtliche Grundlage von Prüfverfahren nach einer DIN oder EN-ISO nicht nennen oder keinen Aufschluss über die Qualifikation der mit der protokollierten Prüfung befassten Personen gibt, ist dies keine Frage ins Blaue hinein. Die Beantwortung dieser Frage erstreckt sich nicht mehr auf den Bereich der bloßen Überzeugungsbildung des Gerichts im Hinblick auf das vorgetragene tatsächliche Geschehen. Eine Beurteilung der Frage, ob solche Untersuchungen vom fachlichen Standpunkt her sachgerecht gewesen sind, vermag das Gericht im Rahmen der Glaubhaftmachung regelmäßig nicht zu beurteilen.[99] Dazu muss ein Sachverständiger befragt oder ein anderes Beweismittel eingesetzt werden. Zulässig ist dies aber nur, wenn diese Beweismittel in der mündlichen Verhandlung präsent sind. Es empfiehlt sich deshalb für beide Parteien, für die Anwesenheit von Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung Sorge zu tragen. Diese können eher spontan auf Fragen des Gerichts reagieren als vorbereitete schriftliche Gutachten. Kann die beweisbelastete Partei in der mündlichen Verhandlung den Beweis nicht erbringen, unterliegt sie.

 

Rz. 57

Aufgrund des Eilcharakters des vorläufigen Rechtsschutzes kann sich der Antragsteller nach § 294 Abs. 1 ZPO zur Glaubhaftmachung seiner Behauptungen aller Beweismittel bedienen (Mittel des Freibeweises), die bei Entscheidung über den Antrag auf Erlass des Arrestes präsent sind (§ 294 Abs. 2 ZPO). Neben den im Rahmen des Strengbeweises vorgesehenen Beweismitteln kommen daher alle Mittel in Betracht, die dem Richter die Wahrnehmung über den Beweisstoff ermöglichen, wobei insbesondere die eidesstattliche Versicherung[100] der Partei selbst, ihres Rechtsanwaltes[101] oder eines Dritten[102] zu nennen ist. Inhaltlich ist eine eigene Sachdarstellung erforderlich, die nicht durch pauschale Bezugnahmen auf Angaben in anwaltlichen Schriftsätzen oder auf Darstellungen Dritter ersetzt werden kann.[103]

 

Rz. 58

 

Hinweis

Da Arrest und einstweilige Verfügung in dringenden Fällen[104] und auch die Zurückweisung des Begehrens des Antragstellers auf dem Beschlusswege ohne vorherige Anhörung des Gegners ergehen können, ist es unzweckmäßig, in der Antragsschrift zur Glaubhaftmachung der dort vorgebrachten Tatsachenbehauptungen nur auf Zeugen zu verweisen, da diese bei der Entscheidung über den Antrag ohne mündliche Verhandlung nicht "präsent" sind. Die bloße schriftliche Zeugenaussage ist kein zulässiges Beweismittel (§§ 355455 ZPO). Die in der Antragsschrift dargestellte Aussage der Zeugen ist daher durch Beifügung einer entsprechenden eidesstattlichen Versicherung glaubhaft zu machen. Demgegenüber stellt die eidesstattliche Versicherung der Partei letztlich nur eine bekräftigte Parteierklärung mit geringerem Überzeugungswert als die eidesstattliche Versicherung eines Zeugen dar.

 

Rz. 59

 

Hinweis

Die eidesstattliche Versicherung ist nicht formbedürftig. Sie muss aber eine eigene Darstellung des Sachverhaltes enthalten und darf sich an sich nicht auf Bezugnahmen auf den anwaltlichen Schriftsatz beschränken.[105] Sie darf auch keinen Vorgang schildern, der sich der eigenen Wahrnehmung entzieht.[106] Dennoch werden in der Praxis bloße Bezugnahmen auf den anwaltlichen Schri...

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