Rz. 721

Vorstandsmitglieder von AG sind in der gesetzlichen Rentenversicherung (vgl. § 1 S. 3 SGB VI) versicherungsfrei. Nach der Rechtsprechung des 4. und 12. Senats des BSG sind sie zwar Beschäftigte i.S.v. § 7 Abs. 1 SGB IV, sie sind allerdings ausdrücklich durch Gesetz von der gesetzlichen Rentenversicherung (und der Arbeitslosenversicherung s.u. Rdn 722) ausgenommen (vgl. BSG v. 12.1.2011 – B 12 KR 17/09 R, DB 2011, 1759 = NZA 2011, 1026; BSG v. 27.2.2008, GmbHR 2008, 1154; BSG v. 9.8.2006). Zu beachten ist, dass aufgrund des zweiten Gesetzes zur Änderung des SGB VI und anderer Gesetze die Rentenversicherungsfreiheit insoweit eingeschränkt wurde, als die Rentenversicherungsfreiheit nur noch für die konkrete Beschäftigung bei dem Unternehmen gilt, bei dem die Vorstandstätigkeit ausgeübt wird. Dadurch sollen Missbrauchsfälle zu dem Zweck der Vermeidung der gesetzlichen Rentenversicherung vermieden werden (vgl. Kreikebohm/Kuszynski, in: HDR, Handbuch der gesetzlichen Rentenversicherung SGB VI, Kap. 10 Rn 17). Konzernunternehmen i.S.d. § 18 AktG gelten als ein Unternehmen. Nach § 229 Abs. 1a SGB VI bleiben Mitglieder des Vorstandes einer AG, die am 6.11.2003 in einer weiteren Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit nicht versicherungspflichtig waren, in dieser Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit nicht versicherungspflichtig.

 

Rz. 722

Vorstandsmitglieder einer AG sind kraft Gesetzes nicht gegen Arbeitslosigkeit gem. § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III versichert (vgl. BSG v. 27.2.2008 – B 12 KR 23/06 R, GmbHR 2008, 1154 m. Anm. Kothe-Heggemann; BSG v. 26.3.1992, DB 1992, 2346 = BB 1993, 442). Umgekehrt bedeutet dies, dass Vorstände kein Alg in Anspruch nehmen können.

 

Rz. 723

Es besteht auch – allerdings nicht kraft Gesetzes, sondern weil für die Unfallversicherung der 2. Senat des BSG bei Vorständen nicht von Beschäftigten i.S.v. § 7 Abs. 1 SGB VI ausgeht – keine Versicherungspflicht für Vorstandsmitglieder in der gesetzlichen Unfallversicherung (vgl. BSG v. 15.12.2020 – B2 U 4/20 R, juris Rn 10 ff.; BSG v. 14.12.1999 – B 2 U 38/98 R, DB 2000, 329).

 

Rz. 724

In der gesetzlichen Krankenversicherung ist Versicherungsfreiheit in aller Regel schon deshalb gegeben, da das Vorstandsmitglied oberhalb der Jahresentgeltgrenze des § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V liegt. Umstritten ist, ob die Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Krankenversicherung auch dann bestünde, wenn die Entgeltgrenze nicht überschritten, sondern unterschritten wird. Das LSG Nordrhein-Westfalen geht bei Unterschreiten der Entgeltgrenze davon aus, dass dann Versicherungspflicht in der GKV besteht. Zur Begründung wird ausgeführt, dass sich AG-Vorstände in einem Beschäftigungsverhältnis i.S.d. § 7 Abs. 1 SGB IV befinden. Dies gelte auch vor dem Hintergrund, dass Vorstände von AG ihre Geschäfte gem. § 76 Abs. 1 AktG weisungsfrei auszuüben haben (vgl. LSG NRW v. 1.9.2011 – L 5 KR 291/10 AG-Vorstand mit monatlicher Vergütung i.H.v. 2600,– EUR; a.A. Grambow, AG 2010, 477; Diller, AG 2009, 477).

 

Rz. 725

Auch bei Überschreiten der Entgeltgrenze hat die Grundsatzfrage der rechtlichen Einordnung als Beschäftigungsverhältnis erhebliche praktische Wirkung. Dies zeigt sich, wenn Vorstandsmitglieder ihren unabdingbaren Anspruch gegen die AG auf Zahlung der hälftigen Beiträge zu einer privaten Krankenkasse nach § 257 Abs. 1 u. 2 SGB V geltend machen. Geht man davon aus, dass bei Vorständen aufgrund Nichtvorliegens eines Beschäftigungsverhältnisses i.S.v. § 7 Abs. 1 SGB IV keine Versicherungspflicht besteht, entfällt der Anspruch. Während der 4. und der 12. Senat des BSG das Beschäftigungsverhältnis in jüngeren Entscheidungen bejahen (vgl. BSG, 4. Senat, v. 12.1.2011 – B 12 KR 17/09 R, DB 2011, 1759 = NZA 2011, 1026; BSG, 31.5.1989 – 4 RA 22/88; NZA 1990, 668; BSG, 12. Senat, v. 27.2.2008, GmbHR 2008, 1154), lehnt der 2. Senat dies in einer älteren Entscheidung ab (vgl. BSG, 2. Senat, v. 14.12.1999, DB 2000, 329).

 

Rz. 726

Leistet der Arbeitgeber Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung des Vorstandsmitgliedes, können diese steuerfrei nach § 3 Nr. 62 S. 1 EStG sein. Im Fall eines Gesellschafter-Geschäftsführers hat der BFH die Steuerpflicht verneint, es handele sich nicht um Arbeitslohn (vgl. BFH v. 6.6.2002 – VI R 178/97, NZA 2003, 710 = DB 2002, 2515).

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