Rz. 389

Vor Abschluss des Geschäftsführer-Dienstvertrages ist jeweils zu prüfen, ob der GmbH-Geschäftsführer sozialversicherungspflichtig in der

Krankenversicherung (SGB V)
Rentenversicherung (SGB VI)
Arbeitslosenversicherung (SGB III)
Unfallversicherung (SGB VII)
Pflegeversicherung (SGB XI)

ist (vgl. ausführlich Haase, GmbHR 2022, 1225 ff. m.w.N.; kritisch zur Rspr. des BGH, BAG und BSG Altmeppen, NJW 2022, 2785).

 

Rz. 390

Für die Praxis ist – neben der Rechtsprechung – insbesondere die Auffassung und Handhabung der Spitzenverbände der Sozialversicherung bedeutsam. Diese ist dokumentiert in den Gemeinsamen Rundschreiben des GKV-Spitzenverbands, der Deutschen Rentenversicherung Bund und der Bundesagentur für Arbeit zur sog. Statusfeststellung von Erwerbstätigen (Stand 1.4.2022). Für Geschäftsführer gilt die Anlage 3 i.d.F. vom 1.4.2022 mit der Bezeichnung "Versicherungsrechtliche Beurteilung von Gesellschafter-Geschäftsführern, Fremdgeschäftsführern und mitarbeitenden Gesellschaftern einer GmbH, sowie Geschäftsführern einer Familien-GmbH". Darin haben sich die Spitzenverbände insbesondere mit dem Abrücken des BSG von der "Kopf und Seele"-Rechtsprechung des 12. Senats des BSG mit der Folge einer Ausweitung des Gesellschaftergeschäftsführer – Personenkreises, der der Sozialversicherungspflicht unterliegt, auseinandergesetzt (siehe unten im Einzelnen Rdn 403). Nach Auffassung der Spitzenorganisationen der Sozialversicherung soll – über die geänderte BSG-Rspr. hinausgehend – die "Kopf und Seele"-Rechtsprechung auch keine Anwendung auf Gesellschafter-Geschäftsführer ohne umfassende Sperrminorität in einer Familien-GmbH und generell außerhalb einer Familien-GmbH finden (S. 8 der Anlage 3). Nach dieser Auffassung läge auch in diesen Fällen Sozialversicherungspflicht vor. De facto wird damit die Sozialversicherungspflicht von Gesellschafter-Geschäftsführern deutlich erweitert (vgl. Gemeinsame Rundschreiben der Sozialversicherungen: www.deutsche-rentenversicherung-bund.de, Stichwort Geschäftsführer).

 

Rz. 391

Zur Klärung etwaiger Zweifel bei der sozialversicherungsrechtlichen Einordnung des Geschäftsführers besteht die Möglichkeit der Feststellung des Erwerbsstatus bei der Deutschen Rentenversicherung Bund gem. § 7a Abs. 1 S. 1 SGB IV. Das Verfahren nach § 7a SGB IV wurde mit Wirkung zum 1.4.2022 grundlegend reformiert. Inhaltlich zeigen sich die Neuerungen bereits in der neuen Überschrift des § 7a SGB IV. Dieses lautet nicht mehr "Anfrageverfahren", sondern "Feststellung des Erwerbsstatus". Mit der Änderung bereits in der Überschrift und der Neugestaltung des § 7a SGB IV soll klargestellt werden, dass in dem Statusfeststellungsverfahren über den Erwerbsstatus als Element einer möglichen Sozialversicherungspflicht entschieden wird und nicht über die Versicherungspflicht (vgl. BT-Drucks 19/29893, 27). Mögliche Unklarheiten können – nach der neuen Rechtslage – schon im Vorfeld vor Aufnahme der Tätigkeit geklärt werden. Es handelt sich um ein optionales Feststellungsverfahren, mit dem der Geschäftsführer und die GmbH auf Antrag eines der Beteiligten Rechtssicherheit erlangen können. Für Ehegatten, Lebenspartner und Abkömmling (Kinder, Enkelkinder und Adoptivkinder) und geschäftsführende Gesellschafter erfolgt das obligatorische Feststellungsverfahren nach § 7a Abs. 1 S. 2 SGB IV von Amts wegen mit Einleitung durch die Einzugsstelle nach Anmeldung durch den Arbeitgeber. Ein Statusfeststellungsbescheid ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, der bei einer wesentlichen Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse aufgehoben werden kann. Der Verwaltungsakt kann nicht nur mit Wirkung für die Zukunft, sondern mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gem. § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB X aufgehoben werden, soweit u.a. der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher, für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist. Arbeitgeber sind verpflichtet, Änderungen in denen der Statusfeststellung zugrunde liegenden tatsächlichen Verhältnissen in entsprechender Anwendung von § 60 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB i.V.m. § 28a Abs. 1 SGB IV mitzuteilen (vgl. BSG v. 29.3.2022 – B 12 KR 1/20 R, juris Ls. 1 und 2 Veränderung des Kapitalanteils von 40 vH auf nur noch ca. 20,41 vH).

 

Rz. 392

In der Praxis stellt sich die inhaltliche Einordnung nicht immer ganz einfach dar, da der Gesetzgeber das bestehende Sozialversicherungsrecht nach der Legaldefinition des § 7 Abs. 1 SGB IV, der für alle Bereiche der Sozialversicherung gilt (vgl. BSG v. 14.12.1999 – B 2 U 48/98 R, GmbHR 2000, 618 = BB 2000, 676), lediglich an das Bestehen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses knüpft. § 7 Abs. 1 SGB IV wurde bei der Reform zum 1.4.2022 nicht verändert. Die persönliche Abhängigkeit stellt das wesentliche, das charakteristische Merkmal des sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses dar (vgl. BSG in ständiger Rspr.: BSG ...

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