Rz. 35

Die BSG-Rechtsprechung zu den GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführern ist in den letzten Jahren zwar restriktiver geworden; im Sinne der Rechtsklarheit aber auch klarer. Die Rechtsprechung hat sich hin zu einer formalen Betrachtung entwickelt (zutreffend: Rossa-Heise, GmbH-StB 2023, 104, 106). Die sog. "Kopf und Seele"-Rechtsprechung – insbesondere auch mit der Betrachtung besonderer Branchenkenntnisse – hat das BSG aufgegeben (wiederum zutreffend Rossa-Heise, GmbH-StB 2023, 104, 107). Eine Selbstständigkeit kommt nur (noch dann) in Betracht, wenn die für die GmbH tätige Person Gesellschafter ist, d. h. Anteile am Stammkapital hält. Während für die frühere Rechtsprechung des BSG die Rolle des Geschäftsführers als Organ der Gesellschaft und bestimmendem Akteur im Vordergrund stand, werden heute die Frage nach der Abhängigkeit des Geschäftsführers von den Weisungen der Gesellschafterversammlung sowie seine rechtliche Gestaltungsmacht in den Vordergrund der Betrachtung gerückt (zutreffend: Rossa-Heise, GmbH-StB 2023, 104). Dies hat zu einer deutlichen Verschärfung der Anforderungen an eine sozialversicherungsfreie Beschäftigung von Geschäftsführern geführt. Gestaltungskorridore für eine Versicherungsfreiheit sind damit weiter verengt worden (Rossa-Heise, GmbH-StB 2023, 104).

 

Rz. 36

Um nicht als abhängig Beschäftigter angesehen zu werden, muss ein Gesellschafter-Geschäftsführer über seine Gesellschafterstellung hinaus die Rechtsmacht besitzen, durch Einflussnahme auf die Gesellschafterversammlung die Geschicke der Gesellschaft (für die er die Geschäftsführung übernommen hat), bestimmen zu können (BSG, Urteil v. 1.2.2022, B 12 KR 37/19 R Rz. 13 m. w. N.; vgl. zu dem BSG-Urteil auch Cranshaw, SGb 2023, 18; vgl. auch bei Grambow/Zwick, AuA 2023 Nr. 5, 20; BSG, Urteil v. 23.2.2021, B 12 R 18/18 R Rz. 18; BSG, Urteil v. 10.12.2019, B 12 KR 9/18 R Rz. 13; BSG, Urteil v. 14.3.2018, B 12 KR 13/17 R Rz. 21; BSG, Urteil v. 24.11. 2005, B 12 RA 1/04 R Rz. 13). Bei einem GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführer ist eine Arbeitgeberfunktion und damit keine versicherungspflichtige Beschäftigung dort anzunehmen, wo der Betroffene Mehrheitsgesellschafter ist und wenigstens über die Hälfte (50 %) der Stimmanteile (oder mehr) verfügt (BSG, Urteil v. 1.2.2022, B 12 KR 37/19 R Rz. 13; vgl. zu dem BSG-Urteil auch Cranshaw, SGb 2023, 18; vgl. auch Grambow/Zwick, AuA 2023 Nr. 5, 20; BSG, Urteil v. 23.2.2021, B 12 R 18/18 R Rz. 15; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 21.9.2022, L 8 BA 75/20). Dabei reicht allerdings eine reine Verhinderungs(rechts)macht eines mitarbeitenden Gesellschafters einer GmbH (exakt 50 %) ohne Geschäftsführerstellung nicht aus und begründet keine Selbstständigkeit (BSG, Urteil v. 13.12.2022, B 12 KR 16/20 R). Ob das BSG i. S. einer unternehmerischen Gestaltungsmöglichkeit, weg von der reinen Verhinderungsmacht, künftig noch Gesellschafter-Geschäftsführer als selbstständig ansehen wird, wenn diese nicht über Gesellschaftsanteile von mehr als 50 % (also mindestens 50,1 %) verfügen, ist offen und noch nicht vom BSG entschieden (darauf verweist zutreffend Rossa-Heise, GmbH-StB 2023, 104, 109).

 

Rz. 37

Eine ein Beschäftigungsverhältnis ausschließende Rechtsmacht eines Gesellschafters ist auch dann anzunehmen, wenn der Gesellschafter über eine (echte, qualifizierte) Sperrminorität verfügt, die es ihm ermöglicht, Entscheidungen zu verhindern (BSG, Urteil v. 24.9.1992, 7 RAr 12/92; BSG, Urteil v. 14.3.2018, B 12 KR 13/17 R, und Parallelentscheidung BSG, Urteil v. 14.3.2018, B 12 R 5/16 R, mit Anm.: von Stäbler, NZS 2018, 670; zur sozialversicherungsrechtlichen Statusbeurteilung eines Geschäftsführers einer GmbH, deren Stammkapital vollständig von einer anderen Gesellschaft (Muttergesellschaft) gehalten wird, an der der Geschäftsführer als Minderheitsgesellschafter auf Sperrminorität beteiligt ist, vgl. BSG, Urteil v. 23.2.2021, B 12 R 18/18 R; vgl. zum Thema Sperrminorität auch: BSG, Urteil v. 24.11.2020, B 12 KR 23/19 R; mit Anm. in: SozSichplus 2021, Nr. 1, 7 und Anm. von Lau, DStR 2021, 1319, und von Prange, NZS 2021, 702; vgl. zur Sozialversicherungspflicht bzw. -freiheit eines Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH allgemein auch: BSG, Urteil v. 1.2.2022, B 12 R 20/19 R, mit Anm. von Kern, NZS 2023, 158, und B 12 R 19/19 R, mit Anm. von Kern, NZS 2023, 157). Eine umfassende ("echte" oder "qualifizierte"), die gesamte Unternehmenstätigkeit erfassende Sperrminorität liegt dann vor, wenn der Geschäftsführer damit zumindest ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung verhindern kann (BSG, Urteil v. 1.2.2022, B 12 KR 37/19 R Rz. 13; vgl. zu dem BSG-Urteil auch Cranshaw, SGb 2023, 18; vgl. auch Grambow/Zwick, AuA 2023 Nr. 5, 20; BSG, Urteil v. 1.2.2022, B 12 R 19/19 R, mit Anm. von Kern, NZS 2023, 157; BSG, Urteil v. 23.2.2021, B 12 R 18/18 R Rz. 15). Die Sperrminorität muss dabei allumfassend sein, sich also auf alle Angelegenheiten der Gesellschaft beziehen; ein Mehrheitserfordernis bei nur bestimmten Bereic...

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