Rz. 1522

Auch auf die mit dem Vertrieb von Versicherungen und Bausparverträgen befassten Arbeitnehmer finden die Vorschriften des § 87a Abs. 2, 3 HGB Anwendung. Die Vorschrift des § 92 HGB ist für unselbstständige Vermittler, die Provision erhalten, anwendbar. Der Verweis in § 65 HGB, der sich nur auf die § 87 Abs. 1 und 3, § 87a und 87c bezieht, ist insoweit unvollständig (BFH v. 27.5.1998 – II R 54/96; BAG NJW 1968, 166; BeckOK HGB/Lehmann, 19. E., § 92 Rn 4). Der Anspruch auf Provision der Handlungsgehilfen im Finanzvertrieb entfällt daher, wenn der Versicherungsnehmer oder Bausparkassenkunde infolge Zahlungsunfähigkeit die Prämie oder Einlage nicht leistet, aus der sich die Provision nach dem Arbeitsvertrag errechnet (§ 87a Abs. 2 HGB).

 

Rz. 1523

Ebenso wenig wie der Arbeitnehmer im Vertrieb von Waren und Dienstleistungen verliert der Angestellte im Versicherungsvertrieb den Anspruch auf Provision schon dann, wenn der Versicherungsnehmer die Prämie nicht zahlt, aus der sich die Provision berechnet und das Versicherungsunternehmen infolgedessen vom Vertrag zurücktritt (OLG Zweibrücken v. 21.3.1995 – 5 U 103/93, EversOK Ls.). Mit dem auf ihre Tätigkeit zurückzuführenden Geschäft hat die angestellte Vertriebskraft ihre Verpflichtung aus dem Arbeitsvertrag erfüllt (vgl. Rdn 1517 a.E.). Die Vertriebskraft darf nun grds. darauf vertrauen, dass der Arbeitgeber nach Treu und Glauben alles unternimmt, um den Versicherungsnehmer zur Zahlung der Prämie zu veranlassen. Auch die bloße Weigerung eines Bausparers zur Zahlung der Abschlussprämie lässt den Provisionsanspruch des Handlungsgehilfen nicht entfallen, solange es der Bausparkasse möglich ist, die Durchführung des Vertrags durchzusetzen (OLG Frankfurt/Main v. 31.5.1983 – 11 U 13/81, EversOK Ls.).

 

Rz. 1524

Zur Klärung der Frage, unter welchen Voraussetzungen der Arbeitgeber die Nichtausführung eines Versicherungs- oder Bausparvertrages zu vertreten hat, hat die Rspr. die sog. Nachbearbeitungsgrundsätze entwickelt (so für die für Bausparkassen tätigen Vertriebskräfte: BAG v. 10.3.1960 – 5 AZR 426/58, EversOK Ls.; OLG Frankfurt/Main v. 31.5.1983 – 11 U 13/81, EversOK Ls. 2; für angestellte Kräfte im Versicherungsvertrieb: BAG v. 21.1.2015 – 10 AZR 84/14, EversOK Ls. 49; BAG v. 25.10.1967 – 3 AZR 453/66, EversOK Ls. 5; LAG München v. 27.9.1990, EversOK Ls. 2 = VersR 1992, 183; BGH v. 1.12.2010, EversOK Ls. 1 ff = MDR 2011, 172; BGH v. 25.5.2005 – VIII ZR 279/04, EversOK Ls. 5 = VersR 2005, 1078; BGH v. 12.11.1987, EversOK Ls. 3 = NJW-RR 1988, 546; BGH v. 19.11.1982, EversOK Ls. 12 = VersR 1983, 371, 372; OLG Düsseldorf v. 25.11.2011 – I-16 U 234/09, EversOK Ls. 5 ff.; OLG Köln v. 9.9.2005, EversOK Ls. 9 = OLGR 2005, 681; OLG Brandenburg v. 20.5.2009 – 3 U 20/09, EversOK Ls. 4; OLG Frankfurt/Main v. 3.12.2010 – 4 U 76/10, EversOK Ls. 14 ff.; OLG Frankfurt/Main v. 18.12.1984 – 8 U 74/84, VersR 1986, 461; OLG Frankfurt/Main v. 10.7.1980, EversOK Ls. = VersR 1981, 40). Diese Grundsätze tragen dem Umstand Rechnung, dass Versicherungsunternehmen und Bausparkassen ihre Ansprüche auf Zahlung der Prämie oder der Einlage zumeist nur mit dem Risiko durchsetzen können, dass der Versicherungsnehmer oder Bausparer den Vertrag kündigt. Dies gilt vornehmlich im Bereich der kapitalbildenden und fondsgebundenen Lebensversicherungen und der Bausparverträge. Bei beiden Geschäftsarten ist die erfolgreiche Durchführung des Vertrages in erheblicher Weise von der Freiwilligkeit der Erbringung der Leistung seitens des Kunden abhängig. Wegen der Kündigungsmöglichkeit des Versicherungsnehmers nach § 168 VVG ergibt die gerichtliche Durchsetzung von Prämienansprüchen bei kapitalbildenden Lebensversicherungsverträgen keinen Sinn. Ebenso räumen die Bausparverträge dem Bausparer für gewöhnlich das Recht ein, den Vertrag jederzeit zu kündigen. Macht der Bausparer hiervon Gebrauch, was bei einem klageweisen Vorgehen der Bausparkasse zu befürchten ist, so ginge es letztlich allein um die klageweise Geltendmachung der Abschlussgebühr und nicht um die Durchsetzung des Gesamtvertrages (OLG Frankfurt/Main v. 18.12.1984 – 8 U 74/84, EversOK Ls. = VersR 1986, 461).

 

Rz. 1525

Auf der anderen Seite würden die Schutzvorschriften des § 87a Abs. 2 und Abs. 3 HGB ins Leere laufen, wenn ausschließlich der mit Vertriebsaufgaben befasste Angestellte das Risiko tragen würde, dass der Kunde den Versicherungs- oder Bausparvertrag bedient. Aus diesem Grunde darf ein Arbeitgeber wegen ausbleibender Zahlungen des Versicherungsnehmers einen Vertrag nur unter der Voraussetzung mit provisionsvernichtender Wirkung stornieren, dass er dem bei ihm angestellten Abschlussvermittler durch rechtzeitige und vollständige Stornogefahrmitteilungen die Möglichkeit gegeben hat, den Vertrag zu retten. Soweit die Rechtsprechung es daneben ausreichen lässt, wenn der Prinzipal alternativ eigene Bemühungen zur Rettung des Vertrages unternimmt (BGH v. 25.5.2005 – VIII ZR 237/04, EversOK Ls. 9), kann dem nicht gefolgt werden. Denn Angestellten im ...

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