Rz. 1513

Dass die Regelungen des § 87a Abs. 2 bis 5 HGB gemäß § 65 HGB auch für den Handlungsgehilfen gelten, wird teilweise in Zweifel gezogen. Mit den grundsätzlichen Regelungen des Arbeitsrechts zur Verteilung des Betriebsrisikos sei es nicht zu vereinbaren, dass Beschäftigte trotz geleisteter Arbeit keine Provision erhalten, wenn Kunden mangels Zahlungsfähigkeit nicht leisten. Das Betriebsrisiko aber trage der Arbeitgeber. Zu diesem gehöre auch, dass seine Kunden zahlungsunfähig seien. Eine Überwälzung dieses Risikos auf den Arbeitnehmer sei daher mit wesentlichen Grundgedanken des Arbeitsrechts unvereinbar (LAG Schleswig-Holstein v. 16.4.2013 – 1 Sa 290/12, EversOK Ls. 10). Dies sei auch gesetzlich nicht angeordnet, weil die Regelungen des § 87a HGB uneingeschränkt nur für Handelsvertreter gelten würden, die auf Provisionsbasis bezahlt werden, während sie auf Handlungsgehilfen nach § 65 HGB nur entsprechende Anwendung fänden. Dem kann nicht beigetreten werden. Das dem Handelsvertreter nach § 87a Abs. 2 HGB zugewiesene Risiko, Kunden zu werben, die nachher die eingegangene Verpflichtung nicht erfüllen (BGH v. 21.10.1971 – VII ZR 54/70, EversOK Ls. 8) muss grundsätzlich auch der Handlungsgehilfe nach dem gesetzlichen Leitbild der Vorschriften der §§ 87a Abs. 2, 65, 59 HGB tragen. Denn wenn der Arbeitgeber infolge Zahlungsunfähigkeit des Kunden mit seinen Zahlungsansprüchen ausfällt, können keine Provisionsansprüche nach §§ 87 ff. HGB begründet werden. Maßgeblich hierfür ist der Umstand, dass es bereits an einem Geschäft fehlt, wenn der Arbeitgeber keinen durchsetzbaren Anspruch auf Leistung gegen den Dritten erlangt, wie ihn der Rechtsbegriff des Geschäfts voraussetzt (vgl. dazu Evers, ZVertriebsR 2022, 343, 344). Deshalb ist der Anspruch auf Provision nach dem Regelungssystem der Vorschrift des § 87a Abs. 2 HGB auflösend bedingt für den Fall, dass der Dritte nicht leistet (vgl. BGH v. 21.12.1989 – IX ZR 66/89, EversOK Ls. 9). Der Arbeitgeber wälzt damit kein Risiko auf die angestellte Vertriebskraft ab, weil dieser das Risiko des Zahlungsausfalls nach dem gesetzlichen Leitbild zugewiesen ist, da ihn die Provision dafür vergütet, dem Arbeitgeber einen durchsetzbaren Anspruch auf Leistung gegen den Dritten zu verschaffen. Der Provisionsanspruch entfällt daher gem. § 87a Abs. 2 HGB, wenn feststeht, dass der Kunde nicht leisten wird (LAG Hamm v. 17.9.1980 – 15 Sa 771/80, EversOK Ls. 1). Die bloße Zahlungsverweigerung des Kunden begründet allein jedoch nicht die Feststellung, dass der Dritte i.S.d. § 87a Abs. 2 HGB nicht leistet (LAG Hamm v. 3.11.2009 – 14 Sa 1690/08, EversOK Ls. 19).

Es steht nur dann fest, dass der Dritte i.S.d. § 87a Abs. 2 HGB nicht leistet, wenn die Forderung nicht realisiert werden kann, weil z.B. der Dritte zahlungsunfähig ist und voraussichtlich auch auf absehbare Zeit bleiben wird oder er seine Zahlungspflicht unter solchen Umständen bestreitet, dass die Klage aussichtslos erscheint (OLG Düsseldorf v. 12.2.1993 – 16 U 96/92, EversOK Ls. 17). Hinsichtlich des Rechtsgrundes für die Rückzahlung einer bereits ausgezahlten Provision gehen die Meinungen auseinander. Teilweise werden die Vorschriften § 87a Abs. 2, 2. Hs. HGB i.V.m. §§ 346 ff. BGB entsprechend angewendet (BGH v. 1.6.2017 – VII ZR 277/15, EversOK Ls. 23; OLG Zweibrücken v. 31.3.1995 – 5 U 103/93, EversOK Ls. 1; Schaub, ArbRHB, § 75 Rn 39), teilweise wird auf die Grundsätze einer ungerechtfertigten Bereicherung gem. § 812 BGB verwiesen (OLG Hamm v. 9.5.1994 – 18 U 64/93, EversOK Ls. 1; LG Berlin v. 23.5.1997 – 56 S 4/97, EversOK Ls. 1), andere bemühen die Normen der §§ 87a Abs. 3, 92 Abs. 2 HGB (OLG Frankfurt/ Main v. 15.12.1995 – 24 U 85/95, EversOK Ls. 8 m.w.N.; OLG Frankfurt/Main v. 6.2.1997 – 16 U 1/96, EversOK Ls. 8 -) oder des § 667 BGB (OLG Frankfurt/ Main v. 26.4.1989, r+s 1990, 144 = EversOK Ls. 2 für die Rückforderung unverdienter Vorschüsse) und schließlich wird auch eine vertragliche Grundlage aufgrund der Vorschussabrede erwogen (BAG v. 21.1.2015 – 10 AZR 84/14, EversOK Ls. 13; BAG v. 20.6.1989 – 3 AZR 504/87, EversOK Ls. 8 m.w.N.).

 

Rz. 1514

Die zurückzuzahlende Provision kann mit ausstehenden Provisionsansprüchen verrechnet werden, wenn das der angestellten Vertriebskraft vertraglich zugesagte Fixum oder die Pfändungsgrenze (vgl. §§ 850 ff. ZPO) dadurch nicht unterschritten werden (BAG v. 15.3.2000 – 10 AZR 101/99, juris Rn 61; OLG Naumburg v. 12.2.2010 – 6 U 164/09, EversOK Ls. 10) und der Vertriebskraft zumindest das monatliche Tarifgehalt oder, sofern keine Tarifbindung existiert, ein ausreichendes Arbeitsentgelt, das mit ungefähr zwei Dritteln der marktüblichen Vergütung anzusetzen ist, ausgezahlt wird (BAG v. 16.2.2012 – 8 AZR 98/11, EversOK Ls. 12; MüKo/Thüsing, § 65 HGB Rn 11).

 

Rz. 1515

Grds. bringt auch eine vollständige oder eine teilweise Nichtausführung des Geschäfts den Provisionsanspruch der angestellten Vertriebskraft nach §§ 87a Abs. 3, 65 HGB voll zur Entstehung, wenn die abweichende Ausführung des G...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge